Recherche 23. Juni 2021, von Christian Kaiser

Warum Basler Missionare in Afrika Sklavenbesitz billigten

Geschichte

Black-Lives-Matter sei Dank: Rassismus und Diskriminierung stehen im Fokus. Welche Rolle Sklaverei und Kolonialismus bei der Entstehung spielten, untersucht nun Mission 21.

Eigentlich wollte die Basler Mission bei ihrer Gründung 1815 in schlimmen Zeiten das Himmelreich auf Erden verwirklichen. Und eigentlich wollte sie mit ihrem Einsatz in Afrika auch die Gräueltaten der Sklaverei wiedergutmachen. Beide Aufgaben entpuppten sich in der Praxis jedoch als äusserst schwierig.

Verdorbene Christen

Zum einen verhielten sich einige Christenmenschen in den Kolonien gegenüber der lokalen Bevölkerung derart ausbeuterisch und unterdrückerisch, dass das Christentum als Erlöserreligion bei der lokalen Bevölkerung ein massives Glaubwürdigkeitsproblem bekam. Die «Heiden» hätten einen so nachteiligen Eindruck von den schlechten Sitten gewisser Europäer, «als wenn das Christentum selbst ebenso verderbt, als das Betragen jener Leute wäre», heisst es etwa in einem Bericht aus Ostindien von 1821.

Jeder Sklavenbesitzer, der sich zur Taufe meldet, hat vor seiner Taufe seine Sklaven freizugeben.
Joseph Josenhans, Inspektor der Basler Mission, in einer Weisung für die Mission an der Goldküste (Ghana) von 1860.

Zum anderen war aber die Sklaverei noch lange nicht passé: Die Briten etwa schafften sie in ihrem Kolonialreich erst 1834 ab, die USA 1865. Neben dem transatlantischen Sklavenhandel und dem in Europa verpönten Sklavenbesitz existierten zudem in den afrikanischen Missionsgebieten noch historisch gewachsene und gesellschaftlich tief verankerte Formen der Sklaverei.

Die Mission 21 arbeitet ihre Missionsgeschichte auf

Welche Rolle spielten Sklaverei und Kolonialismus in der Mission? Das Hilfswerk Mission 21 sucht nach Antworten bei sich selbst. Die Veranstaltungsreihe «Mission im Kontext von Sklaverei und Kolonialismus» ging im April und Mai 2021 der zentralen Frage nach: «Was können wir aus den historischen Verflechtungen und Konflikten von Mission mit Kolonialismus und Sklaverei für unseren heutigen Umgang mit Rassismus und Diskriminierung lernen?» Nicht zuletzt hat ja die Black-Lives-Matter-Bewegung auch die Frage nach den Ursprüngen von Rassismus erneut aufs Tapet gehoben – und eine vertiefte Betrachtung muss auch den Einfluss der Missionen auf die Verhältnisse in Afrika und auf das Menschenbild in Europa miteinbeziehen. Aus den Webinaren, Präsentationen und Berichten hat Mission 21 ein umfangreiches Online-Dossier zum Thema «Mission - Sklaverei - Kolonialismus» zusammmengestellt.

Sowohl die Einbindung der Missionare in das koloniale Handelssystem als auch der Sklavenbesitz warfen für die christlichen Missionsgesellschaften jene ethischen Fragen auf, denen das Hilfswerk Mission 21 nun mit Vorträgen, Weiterbildungsangeboten und zur Verfügung gestellten Materialien auf den Grund geht.

Die Referate der Fachleute hinterlassen den Eindruck eines steten Ringens zwischen der Basler Zentrale und den missionarischen Aussenposten: Während die Leitung in der Schweiz um eine ethisch korrekte christliche Haltung und den Ruf der Organisation bei den Spendern bemüht war, ging es den Missionaren vor Ort zuerst um eine Position, welche die gesellschaftlichen und politischen Strukturen möglichst wenig gefährdet. Denn sie hatten sich mit der Macht arrangiert.

Sklavenbesitzer können weder Mitglied der Christengemeinde werden noch bleiben.
Joseph Josenhans, Inspektor der Basler Mission, 1860

Proteste gegen Sklavenverbot

Zum Beispiel in der Sklavenfrage an der Goldküste im heutigen Ghana: Während die Basler Zentrale die Sklaverei aus prinzipiellen Gründen ablehnte, rebellierten die Missionare vor Ort dagegen, die vorhandenen Formen des Sklavenbesitzes zu zerschlagen. 1860 besassen in der Mission an der Goldküste 23 Personen 247 Sklavinnen und Sklaven – wertvolles Kapital!
Mission 21 will Kolonialismus und Sklaverei aufarbeiten. «Um die Gegenwart zu verstehen, müssen wir die Vergangenheit in den Blick nehmen», sagt Claudia Buess. Die Inforeihe hilft, die Entstehung von Rassismus nachzuzeichnen und ihn so vielleicht an der Wurzel zu packen. Als Nächstes steht eine Summer School zu «Rassismus und Respekt» auf dem Programm.