Was treibt die Stadtmenschen zu so aggressiver Kritik an?
Das liegt daran, dass wir Menschen eine direkte Verbindung zur Ernährung haben. Es berührt uns in unseren Bäuchen, in unserem Inneren. Unsere fruchtbaren Böden und das, was wir auf dem Teller haben – das ist es, was uns ausmacht. Deshalb sind wir bei diesem Thema so kritisch. Ich würde mir aber wünschen, dass sich diese Kritik gegen die wahren Verantwortlichen, das Agrar- und Ernährungssystem, richtet und nicht gegen die kleinen Produzenten.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass diejenigen, die über die Landwirtschaft entscheiden, ihre Konzepte und Modelle ohne Rücksicht auf den Stolz, die Ehre sowie die Sensibilität der Landwirte entwickeln. Was würde sich ändern, wenn es anders wäre?
Wäre die menschliche Seite wichtiger, hätte man verstanden, dass der Bauer mit den Direktzahlungen nicht mehr derjenige ist, der «ernährt», sondern derjenige, der «pflegt»: die Landschaft, die Biodiversität und eine ländliche Lebensform. Ich bin mir nicht sicher, ob man 1996, als die Direktzahlungen eingeführt wurden, verstanden hat, dass man den Beruf völlig verändern und den Bauern auch ein Stück weit ihren Stolz und ihre Würde nehmen würde.
Sie plädieren für mehr Wohlwollen und weniger Vorurteile zwischen Produzierenden und Konsumierenden. Und auch für mehr Begegnungen.
Es gibt sie bereits. Überall auf dem Land gibt es Lehrpfade, Schulen auf dem Bauernhof, Agrotourismus. Oder die Brunchs am 1. August auf den Bauernhöfen. Das sind kleine Dinge, aber sie sind von enormer Bedeutung. Auch der Direktverkauf hat eine grosse Wirkung, wie ich selbst als Weinproduzent sehe. Ich weiss, wer meinen Wein trinken wird, und ich kann der Kundschaft direkt dessen Geschichte erzählen. Viele Junglandwirte ergreifen auch die Initiative und erklären ihre Arbeit in sozialen Netzwerken. Auch bei der Einstellung muss man sich gegenseitig bemühen. Die Bauern sollen lernen, mehr Kritik anzunehmen. Und die Menschen in der Stadt, weniger arrogant zu sein und neugieriger auf das, was auf den Bauernhöfen passiert.
Wie stellen Sie sich die Landwirtschaft im Jahr 2040 idealerweise vor?
Ökologisch, wirtschaftlich und menschlich nachhaltig. Dass es genauso viele Männer wie Frauen gibt, die stolz darauf sind, ihren Beruf für eine dankbare Bevölkerung auszuüben. Die Betriebe haben eine humane Grösse, und mit der Stadtbevölkerung findet ein Austausch statt. Und dass es noch junge Leute gibt, die diesen Beruf ausüben wollen, stimmt mich zuversichtlich.