Schwerpunkt 25. September 2024, von Peter Walthard, «Bauernzeitung»

Zwischen Produktion und Biodiversität

Landwirtschaft

Wirtschaften im Kreislauf, arbeiten in der Gemeinschaft: Für Samuel und Stephan Graf ergibt das auch ökonomisch Sinn. Den Weizen und den Dinkel mahlen sie in der eigenen Mühle. 

Vor dem Ladenlokal der Mahlstube im basel-landschaftlichen Maisprach sieht es nicht wirklich aus wie auf dem Bilderbuchbauernhof: Wuchtige Bauten aus Bruchstein säumen die schmale Strasse, daneben ragen hohe Getreidesilos in den Himmel und stehen Landmaschinen, Lieferwagen werden beladen. 

Mahlstube und Laden sind Teil des Betriebs der Brüder Samuel und Stephan Graf. Die beiden haben ihn von ihrem Vater übernommen. Er umfasst Ackerbau, Grossviehmast und die Maispracher Mühle, die 1637 erbaut wurde und seitdem in Betrieb ist. Stephan, der ältere, ist gelernter Landwirt, Samuel machte eine Müllerlehre. Alle wichtigen Entscheide fällen die zwei gemeinsam. «Jeder arbeitet dort mit, wo es gerade nötig ist», sagt Samuel Graf. Alle Betriebszweige greifen ineinander in einer Art Kreislaufwirtschaft. 

Sorgenkind Urdinkel 

Auf dem Kulturland, das auf mehrere Standorte verteilt ist, wird in erster Linie Getreide produziert, für die Mühle vornehmlich Weizen und Dinkel. Letzterer nach den strengen Standards der Labels IP Suisse und Urdinkel. Dieses erlaubt nur Dinkelsorten, die nicht mit modernen Weizenzüchtungen gekreuzt worden sind. 

Der hochgezüchtete Weizen steht bei manchen Konsumenten im Verdacht, Lebensmittelunverträglichkeiten hervorzurufen. Urdinkel ist für sie eine willkommene Alternative. Trotz des anspruchsvollen Anbaus – die alten Sorten sind weniger beständig und somit anfälliger auf ungünstige Witterungsverhältnisse und Krankheiten als der moderne Hightech-Weizen –, lohne sich für ihn der Anbau, sagt Graf. Der Dinkel geht in die Mühle zusammen mit Lieferungen von Dinkelbauern aus der ganzen Region. Je nach Lage der Äcker kommt das Getreide im Juli oder im August. 

In diesem Jahr war die Ernte eigentlich zum Vergessen.
Samuel Graf, Müller und Landwirt

«Zum Vergessen» sei die Ernte dieses Jahr gewesen, sagt Samuel Graf. Bei den Dinkelproduzenten sorgen die schlechten Ernten langsam für Unmut. Viele Bauern wären froh, resistentere, beständigere Sorten verwenden zu dürfen, das widerspricht jedoch dem Label-Gedanken, der auf Ursprünglichkeit setzt. Einige Produzenten hätten schon aufgegeben, sagt Samuel Graf. 

Alles wird verwendet 

Die Nebenprodukte des gemahlenen Getreides wie Kleie und Bollmehl gehen direkt in die Grossviehmast. Einige 100 Meter entfernt befindet sich in einem kleinen Bachtal ein Laufstall mit Rindern und Munis. 

Die Spreu wird zum Einstreuen verwendet, die anderen Nebenprodukte als Futter. «Alles bleibt im Betrieb», sagt Samuel Graf. Das Fleisch der Tiere wird vermarktet. «So entsteht ein geschlossener Wertschöpfungskreislauf, und wir setzen dabei ganz auf Produktion.» 

Das ist heute nicht mehr überall selbstverständlich. Mit den Beiträgen für ökologische Leistungen und Biodiversitätsflächen kommen manche Landwirte bereits gut über die Runden, ohne allzu stark von der Produktion mit ihren witterungsbedingten Schwankungen abhängig zu sein. «Wir könnten auch nur noch Brache ansähen und hätten dann auch ein gesichertes Einkommen», sagt Graf. Das widerspricht aber seiner Überzeugung: «Der Bauer soll Menschen ernähren.»

Biodiversität gibt es jedoch trotzdem auf seinem Betrieb: Ganze 33 Prozent des Bodens sind ökologische Ausgleichsfläche. Samuel Graf sagt: «Für uns hat beides Platz.» Am Ende des Tages sei er freilich lieber «auf der produktiven Seite». Die Bevölkerung zu ernähren, ist für die Grafs ihre eigentliche Berufung. 

Einsatz für die Bauern 

Und darum engagieren sie sich auch politisch. Als Anfang Jahr die Bauernproteste aus Deutschland in die Schweiz überschwappten, organisierte Samuel Graf zusammen mit Kollegen in Maisprach ein Lichterspektakel. Rund 85 Traktoren versammelten sich unter dem Motto «Gemeinsam für unsere Landwirtschaft» im Rebberg ob dem Dorf. 

Diese Aktion sei gut angekommen. An der Demonstration habe man auch mehr Verständnis für die Lage der Landwirte gefordert. Das Zusammenwirken von höheren Produktionskosten und zusätzlichen Auflagen der Politik sowie dem Preisdruck durch die Grossverteiler bereite vielen Betrieben zusehends Schwierigkeiten. «Die Zukunft der folgenden Generation ist nicht gesichert.» Mitglied einer politischen Partei ist er aber nicht. «Mir geht es um die Landwirtschaft.» 

Kooperation

Für das Dossier «Ernte» arbeitete die Redaktion von «reformiert.» mit der «Bauernzeitung» zusammen. Sämtliche Artikel erscheinen in beiden Zeitungen. Die «Bauernzeitung» ist die reichweitenstärkste abonnierte land­wirtschaftliche Wochenzeitung der Schweiz. Sie ging vor 30 Jahren aus drei traditionsreichen Verbandspublikationen hervor.

Das Herzstück im Arbeitsalltag ist das gemeinsame Mittagessen des gesamten Hofteams in der Mühle. Die Partnerinnen der Brüder bereiten es jeweils zu, oft sitzen 15 Personen zusammen. «Das ist wichtig für die Kommunikation», sagt Samuel Graf. «Der Betrieb funktioniert, weil unser Team eingespielt ist.»

Beim Essen sprechen sie mit über den Betrieb, etwa wenn es um die Anschaffung von Maschinen geht. Auch jetzt rückt der Bauer ein pragmatisches Argument in den Vordergrund: «So ist es wirtschaftlicher.»