Wie sehen Sie die Rolle der Fifa? Ist sie die richtige Adressatin für Ihre Forderungen? Um Menschenrechte sollten sich eigentlich politische Organisationen kümmern.
Die WM ist für die Fifa sehr lukrativ. Gemäss den UNO-Richtlinien für Wirtschaft und Menschenrechte müssen kommerziell tätige Sportverbände sicherstellen, dass durch ihre Aktivitäten keine Menschenrechte verletzt werden. Trotzdem waren die Menschenrechtsrisiken bei der Vergabe kein Thema, obwohl es genügend Hinweise dafür gab, dass das Kafala-System zur Ausbeutung von Arbeitsmigranten führt. Erst 2017 führte der Verband erste Massnahmen ein, erliess zum Beispiel Menschenrechtskriterien für künftige WM-Vergaben. Bedauerlich ist, dass die Fifa erst auf öffentlichen Druck hin reagiert hat.
Es fragt sich, wie nachhaltig erzielte Verbesserungen dann sind.
Die Fifa und Katar haben ein Nachhaltigkeitsabkommen getroffen. Das ist begrüssenswert. Jedoch stellt sich die Frage, wie gross der Wille sein wird, Reformen umzusetzen, wenn der öffentliche Druck dann nach dem Turnier wieder abnimmt. Zu den Initiativen, die den Arbeitsmigrantinnen und -migranten am Herzen liegen, wie ein «migrant workers center», in dem sie sich über ihre Rechte informieren können, hat sich Katar bisher nicht bekannt. Auch zu den geforderten Entschädigungszahlungen haben sich die Verantwortlichen nicht geäussert.
Wie sieht es beim Schweizerischen Fussballverband (SFV) aus? Dieser hat sich, anders als etwa der deutsche Verband, eher zurückhaltend kritisch zur WM geäussert.
Es besteht zwar die Bereitschaft, sich mit uns auszutauschen, und der SFV ist sich seit unserem ersten Treffen vor zwei Jahren heute sicherlich stärker seiner Verantwortung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht bewusst. Aber es gibt noch Luft nach oben.
Was tut der SFV konkret?
Er ist Teil der Uefa-Arbeitsgruppe für Menschenrechte und reiste mehrmals nach Katar, um sich mit den Verantwortlichen für die WM-Projekte sowie Gewerkschaften und Arbeitsmigranten auszutauschen. Bei der Wahl des Hotels hat er eigene Abklärungen getroffen, um herauszufinden, ob Angestellte ausgebeutet werden. Diese Massnahmen sind positiv zu werten.
Müsste er noch mehr tun?
Was fehlt, ist ein eigenes Regelwerk für Menschenrechte, wie es die Fifa, aber auch der Deutsche Fussballbund haben, um künftig einen Leitfaden für das Vorgehen bei Menschenrechtsrisiken zu haben. Und um sich daran zu orientieren, wie die Verbandsorgane sich gegenüber der Fifa, Sponsoren und anderen Akteuren positionieren wollen.