Wenn der Hunger nach mehr ins Labor führt

Fleisch

Ein Zürcher Start-up entwickelt Fleisch aus dem Labor. Das sei die einzige Chance, um die Probleme des Fleischkonsums zu lösen. 

Auf dem alten Schlachthofareal in Zürich soll ein urbaner, begrünter Arbeitsort entstehen. Gänzlich verschwindet das Fleisch aber nicht von hier: Vor Kurzem ist Mirai International eingezogen. Die Firma entwickelt im Labor sogenanntes kultiviertes Fleisch, für das künftig kein Tier mehr sterben muss. Das Vorhaben ist gross – erstaunlich klein und improvisiert ist hingegen das Labor. In drei Räumen stehen Laborgeräte dicht an dicht. Firmenmitgründer Suman Das empfängt in Jeans und Kapuzenpulli. 

Zuvor arbeitete der Inder für Novartis. Dort erkannte er die Gefahren, die von antibiotikaresistenten Bakterienstämmen ausgehen. Als er Christoph Mayr traf, den Ideengeber und späteren Mitgründer von Mirai, habe er realisiert, wie sehr Fleisch ein Problem sei, sagt Das. «Die meisten Antibiotika werden in der Fleischproduktion eingesetzt.» 

Laborfleisch als Muss 

Das sind keine guten Nachrichten, wenn man bedenkt, dass die UNO bis 2030 mit einer weltweiten Zunahme des Fleischverbrauchs um 70 Prozent rechnet. Die Probleme rund um die Fleischproduktion sind gross: Tierquälerei, Treibhausgase und der hohe Bedarf an Land sind nur einige davon. Und: Nur zehn Prozent aller Menschen sind Vegetarier oder Veganerinnen. 

Aus all diesen Gründen ist für Suman Das die Entwicklung von Laborfleisch unausweichlich. «Die tierischen Proteine sind sehr wichtig, da reichen vegane Produkte allein nicht.» Aus diesem Grund tüfteln Das und sein Team seit fünf Jahren an ihren Produkten rum. Aus Rinderstammzellen züchten sie Muskel- und Fettfasern, die sie je nach nachzubildendem Fleischstück – ihr Steckenpferd ist das Steak – im gewünschten Verhältnis mischen. 

Schweinefleisch wird am meisten gegessen

2024 kamen in der Schweiz gemäss den Angaben des Bundesamtes für Statistik (BfS) 410 747 Tonnen Fleisch auf den Tisch. Wie fast überall in Europa sinkt der Fleischkonsum auch hierzulande langsam, aber stetig. 1980 lag der Pro-Kopf-Konsum noch bei 64,4 Kilogramm. 2024 landeten 18,8 Kilo weniger Fleisch auf den Tellern. Die Zahlen des BfS zeigen: Schweizerinnen und Schweizer verzehren am liebsten Schweinefleisch, jährlich 18,4 Kilo, Tendenz fallend. 2010 waren es noch 25,9 Kilo. Beim Poulet hingegen ist das Angebot gemäss dem Agrarbericht des Bundes um gut 10 Prozent gestiegen auf 14,7 Kilo pro Kopf. Im selben Zeitraum war der Verzehr von Rindfleisch mit 10,4 Kilo rückläufig. Beim Kalbfleisch ging der Verbrauch von 2,8 Kilo auf 1,9 Kilo zurück, so das Portal Statista.

«Das Produkt besteht und überzeugt auch geschmacklich», sagt Das. Aber die Textur müsse besser werden. Herausfordernd seien unter anderem auch die Grossproduktion, die Marktzulassung und der Preis. «Kultiviertes Fleisch soll dereinst gleich viel kosten wie pflanzliche Ersatzprodukte – oder sogar weniger», so Das. Günstiger als das stark subventionierte echte Fleisch zu werden, sei aber schwierig. 

Für Swissveg, den Schweizer VegetarierInnen-Verband, könnte es das Ende der Schlachthöfe und der Massentierhaltung sein, sollte Laborfleisch dereinst günstiger sein als echtes Fleisch. Doch Swissveg befürchtet, dass «die heute schon gut verfügbaren pflanzlichen Alternativen» aus dem Bewusstsein der Konsumenten verdrängt würden. 

Wir müssen es tun, um die Bevölkerung ernähren zu können.
Suman Das, Mitgründer von Mirai International

Das hingegen ist überzeugt, dass weder das eine noch das andere je der Fall sein wird. Kultiviertes Fleisch werde bloss eine weitere Option sein. Lediglich rund ein Drittel der Bevölkerung möchte Fleisch aus dem Bioreaktor überhaupt probieren. Als Zielgruppe sieht Das vorwiegend gesundheits- und umweltbewusste Fleischliebhaber und -liebhaberinnen, die eine bessere Alternative zu echtem Fleisch suchen als stark verarbeitete Fleischersatzprodukte. 

Eine solche könnte eben Laborfleisch sein. Gemäss einer US-Studie verursacht kultiviertes Fleisch zehnmal weniger Treibhausgase als Rindfleisch, und es braucht fünfmal weniger Land. Zudem würden weder Tiere dafür getötet noch Antibiotika benötigt. Die Studie sagt voraus, dass es Jahrzehnte brauchen würde, um die Infrastruktur für die Produktion von Laborfleisch zu bauen, die es bräuchte, um die erwartete Zunahme des weltweiten Fleischkonsums aufzufangen. Doch für Das ist eindeutig klar: «Wir müssen es tun, um die Bevölkerung ernähren zu können.»