Nahtoderlebnis, Meditationsreisen und Nachtodberichte

Jenseits

Nachtoderlebnis, Meditationsreisen und Nachtodberichte: Drei Menschen erzählen von ihren Erfahrungen mit Erlebnissen zum Dasein zwischen dem Dies- und dem Jenseits.

Historikerin Magdalen Bless-Grab­her (75) erhielt nach einem Autounfall einen Blick ins Jenseits.

«Nachdem ich sofort das Bewusstsein verloren hatte, wachte ich auf einer ‹hohen› Bewusstseinsebene auf. Verblüfft registrierte ich ein durchdringendes, feierliches Gefühl der Todesnähe. Ausgerechnet ich sollte sterben, mit meinen 20 Jahren? Immer dünner schien der Faden zu werden, an dem mein Leben hing. Da geriet ich in einen starken Sog, der mich wie ein hochgehender Fluss durch einen dunklen Tunnel mitriss. Am anderen Ende fühlte ich mich frei und leicht. Von oben sah ich meinen leblosen Körper auf einem Erdbeerbeet liegen.

Nun zog mein Leben nochmals wie im Zeitraffer an mir vorbei – eine faszinierende, mehrdimensionale holografische Vision. Mit einer nie da gewesenen Klarheit durchschaute ich Zusammenhänge und spürte die Auswirkungen meiner po­sitiven und negativen Haltungen auf andere. Ich erkannte, wie eng wir mit unserer Mitwelt und dem Universum verflochten sind. Alles hängt mit allem zusammen. Was zählt, ist die Liebe! Ich empfand sie als den Urgrund und das tragende Wurzelgeflecht des Seins.

Dann kamen helle, frohe Gestalten auf mich zu, so als wollten sie mich willkommen heissen – allen voran meine geliebte Grossmutter. Sie war einige Monate zuvor elend an Krebs gestorben. Wie freute ich mich, sie nun so strahlend und glück­lich zu sehen!

Auf alle Fragen fiel mir sogleich die Antwort zu, es gab keine räumlichen sowie zeitlichen Schranken mehr.
Magdalen Bless-Grab­her, Historikerin

In einem dynamischen Prozess erweiterte sich fortwährend mein Bewusstsein. Viele klare, tiefe Gedankengänge liefen gleichzeitig in mir ab. Auf alle Fragen fiel mir sogleich die Antwort zu, es gab keine räumlichen sowie zeitlichen Schranken mehr. Mühelos ‹sah› ich die alten Römer, Australien, den Andromedanebel. Die Rätsel des Mikrokosmos und des Makrokosmos lichteten sich. Bei alledem durchfluteten  mich Glücksgefühle.

Da erblickte ich das Ziel des Sogs: Ein wunderbares, hell schimmerndes Licht leuchtete auf, pulsierend vor Energie, Kreativität und bedingungsloser persönlicher Liebe. Die Essenz des Absoluten, des Guten, des Heiligen. Ich glühte vor Sehnsucht nach diesem überwältigenden Licht, wollte nur eines: eintauchen in diese Sonne der Liebe!

Da stockte plötzlich der Fluss. Ein schon fast vergessenes Wort drängte sich in mein Bewusstsein: mein Name! Unaufhörlich und verzweifelt rief ihn mein Vater, nachdem man mich für tot erklärt hatte. Ich geriet in ein Dilemma, stellte mir die Trauer der Familie vor und stem­mte mich contre cœur gegen den Sog zum Licht. Nun fiel ich hinab, das Licht verschwand, die eben noch luziden Gedankengänge verwirrten sich – ein Ruck, und ich war wie­­der in meinem Körper. Nach einem ersten Augenblick der Enttäuschung war ich überglücklich über das geschenkte zweite Leben, ein Le­ben ohne Angst vor dem Tod.»

Für Meditationslei­ter Daniel Prandini (62) lässt sich die Grenze zum Jenseits im Sitzen überschreiten.

«Auch wenn ich aus dem Benedik­tinerorden ausgetreten bin, um zu hei­raten, ist mein Lebenswandel im­mer noch sehr klösterlich. Ich beginne den Tag mit dem Stundengebet, und heute kam mir dabei eine Schlüs­selstelle entgegen: ‹Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden› (Mt 22,32). Für mich ist wichtig: Wenn man unter dem Jenseits das Reich Gottes versteht, dann leben wir schon darin. Meine Welt ist die meditative, und darin lebt man im Hier und Jetzt.

Im Kloster Fischingen bin ich für die Meditationsangebote zuständig. Wir praktizieren eine Zen-Richtung ausserhalb des Buddhismus, denn wir sind schliesslich aktive Christen. Eingeladen sind aber alle, un­abhängig von ihrer Religion. Das Ziel im Zen ist es, die Vorstellungen ziehen zu lassen, auch solche Einteilungen wie jene in Diesseits und Jen­seits. Indem ich alle Gedankenkonstrukte loslasse, er­mög­­­liche ich es, Gott im Leben zu erfahren.

Erleuchtung erlebt man nicht in der Meditation, sondern im Alltag; in der Natur, bei einer Begegnung, etwa dann, wenn ich ‹im Geringsten› Jesus Christus spüre.
Daniel Prandini, Meditationsleiter

Ich und die anderen, mein Ego und mein Selbst, was ist richtig und was falsch – in der Meditation versu­chen wir, diese duale Welt zu überwinden. Am Punkt, wo das gelingt, wo wir in der Stille Prägungen, Rollenspiele und Bilder hinter uns lassen, kann man etwas von der Gotteswelt erahnen. Das ist der Weg der Mystik. Weder die Erleuchtung noch die Gotteserfahrung sind ein Ziel dabei.

Erleuchtung erlebt man nicht in der Meditation, sondern im Alltag; in der Natur, bei einer Begegnung, etwa dann, wenn ich ‹im Geringsten› Jesus Christus spüre. Am ehesten erlebe ich sie, wenn ich offen bin für das, was auf mich zukommt. Die Erfahrung, dass alles eins ist, dass ich und du, Diesseits und Jenseits ein Ganzes bilden, hat etwas Göttliches. 

Wir kommen irgendwoher und gehen irgendwohin, und die ganze Präsenz dazwischen ist göttlich. Gott ist nichts ausserhalb von uns, wir tragen ihn in uns. Was uns in unserem Urgrund trägt, ist der Heilige Geist, alle sind von diesem Geist geführt. Das ist die Einheit des Seins. In der Zen-Meditation können wir zugehen auf das, was keinen Namen hat und wofür es kein Bild gibt. Unser ganzes Leben ist ein Rätsel, das wir nicht rational lösen können. Wir können ihm uns nur geistig nähern, im zeitlosen Jetzt.»

Für Sabine Meister (60) sind die Grenzen zwischen dem Diesseits und dem Jenseits fliessend.

«Kurz nachdem mein Vater gestorben war, erschien er mir. Ich hatte angefangen, Kartons mit Habseligkeiten von ihm zu durchforsten, und mich dann schlafen gelegt. Mitten in der Nacht erwachte ich. Ich war hellwach und setzte mich etwas er­schrocken im Bett auf. Mein Vater stand vor mir und sagte: ‹Pack die Kartons nicht aus, pack sie wieder ein, ich bin tot.› Zurück blieb nach dieser Begegnung ein überwältigen­des Gefühl von Klarheit, Verbunden­heit, Liebe und Frieden.

Nachtodkontakte ereignen sich viel häufiger, als man im Allgemeinen denkt. Viele Menschen berichten, plötzlich die Gegenwart eines lieben Verstorbenen gespürt zu haben. Das kann auf unterschiedlichs­te Weise geschehen: Der Verstorbene berührt einen, wird als fühlbare Wärme wahrgenommen, man sieht ihn vielleicht auch, erkennt ihn an einem bestimmten Kleidungsstück, man kann hören, was er sagt, auch wenn sein Mund geschlossen ist. Manchmal breitet sich auch ein zu ihm gehörender Duft rundum aus.

Das habe ich in einer Begegnung mit meiner verstorbenen Mutter erlebt. Von einem Moment auf den an­dern erfüllte der Duft von Rosen, die ich vor ihrem Tod haufenweise in ihr Zimmer gebracht hatte, durchmischt mit ihrem Lieblingsparfüm von Givenchy, den Raum. Dass man solche Erlebnisse auch anders als einen realen Kontakt zu Menschen im Jenseits interpretieren kann, interessiert mich nicht. Wie immer man eine Nachtodbegegnung einordnet, die wichtigste Botschaft für mich als Christin ist: Das Leben geht weiter nach dem Tod. Keine Seele ist verloren, es gibt eine geistige Welt, Gott ist da.

Auch Menschen, die medizini­sch gesehen dazu nicht mehr in der Lage waren, konnten sich präzise äussern, Wünsche vorbringen und wichtige Botschaften an ihre Angehörigen hinterlassen.
Sabine Meister, Pflegefachfrau

Ich verfügte schon als Kind über eine hohe Sensitivität und habe Er­eignisse vor mir gesehen, von denen ich noch nichts wissen konnte, und Begegnungen mit Verstorbenen gehabt. Auch in meinem Alltag als Pfle­gefachfrau hatte ich prägende Erleb­nisse. So wurde mir zur Gewissheit: Wenn wir glauben, wir kommen von Gott, dann gehen wir auch zu ihm zurück. Ich bete täglich, meditiere und ziehe mich regelmässig in die Stille zurück. Diese Achtsamkeitsübungen bestärken mich in dieser Gewissheit und vertiefen meinen Glau­ben an Gott.

Nachtodkontakte sind nur eine Form von vielen möglichen Ereignissen zwischen Leben und Tod. Bei Sterbenden habe ich zum Beispiel manches Mal erlebt, wie sie einen Moment von totaler Klarheit hatten. Auch Menschen, die medizini­sch gesehen dazu nicht mehr in der Lage waren, konnten sich präzise äussern, Wünsche vorbringen und wichtige Botschaften an ihre Angehörigen hinterlassen.

Solche Sterbebettvisionen sind auch wissenschaftlich belegt. Jeden­falls ist für mich klar, dass es keine feste Grenze zwischen dem Diesseits und dem Jenseits gibt.»