Recherche 12. Juni 2023, von Franz-Xaver Hiestand

Ein Gegenüber entdeckt

Nachruf

Peter Henrici war Weihbischof in Chur. Zuerst wehrte sich der Philosoph gegen die Berufung, dann entdeckte er die Ökumene. Nun ist der Jesuit im Alter von 95 Jahren gestorben.

Sehr überraschend ernannte Papst Johannes Paul II. 1993 Peter Henrici zum Weihbischof in Chur. Ein Schock sei das für den Auserwählten gewesen. So erinnern sich Zeit­zeugen. Mehrmals habe er sich dagegen gewehrt. Es half nichts.

Verstörte Gläubige

In Zürich geboren, wurde Henrici mit 19 Jahren Jesuit. Seine philosophischen und theologischen Studien führten ihn über Pullach bei München und Löwen in Belgien nach Rom, wo er von 1960 bis 1993 als Professor für Neuere Philosophiegeschichte an der Päpstlichen Universität Gregoriana lehrte.

Franz-Xaver Hiestand

Der Autor dieses Nachrufs, Franz-Xaver Hiestand, ist Jesuit und leitet die katholische Hochschulgemeinde Zürich (AKI). Das Akademikerhaus wurde 1918 gegründet und wird von der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Zürich finanziert und vom Jesuitenorden getragen. An Veranstaltungen werden religiöse und soziale Fragen diskutiert, regelmässig finden Gottesdienste statt. Das Haus steht Studierenden und Dozierenden der Hochschulen offen.

War er bisher in mediterran eingefärbten Diskussionen über phi­losophische Grundsatzprobleme zu Hause, musste Henrici sich nun mit den Sorgen einer Ortskirche vertraut machen, in der mit Wolfgang Haas ein Bischof viele Gläubige mit kirchenpolitischen und ästhetischen Akzentsetzungen verstörte.

Unerfüllte Versprechen

Hinzu kam, dass Henrici Son­der­vollmachten versprochen wor­den wa­ren, ohne dass er diese je er­halten hätte. Deshalb konnte er laut Urban Fink, seinem langjährigen Mitarbeiter, weder voll als Ersatz- noch als Nachfolgebischof wirken. 

Vielleicht weil er Philosoph war, gelang ihm von 1993 bis 2003 als Ge­neralvikar für Zürich und Glarus dennoch ein anderer Stil. «Er fragte nach den Bedürfnissen der Leute, er las zwischen den Zeilen und ver­suchte, konkrete Antworten zu geben», sagt der Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer, der bei Peter Henrici in Rom doktorierte.

Freundschaft und Kooperation

Sosehr ich selbst den Verstorbenen als Men­schen kennenlernen durfte, in dem sich familiäre Einflüsse der alten Donaumonarchie und die römische Universalität verbunden haben, und sosehr mir seine Mischung aus Schalk und Zurückhaltung, geistigem Horizont und Gottvertrauen in Erinnerung bleiben: Es war auffällig, wie oft er ungefragt und posi­tiv die reformierte Kirche des Kantons Zürich erwähnte. Ob ihm da eine Welt begegnete, die ihn als Den­ker herausforderte und die er sich gern noch tiefer erschlossen hätte, wo er aber auch eigene und die Gren­zen der anderen spürte? 

Mit dem damaligen Kirchenratspräsidenten Ruedi Reich verband ihn Freundschaft, mit vielen Reformier­ten das Bewusstsein, dass Kooperation zur Norm, Alleingang zur Abweichung werden soll.

Spuren des Vorantastens

Der am Bettag 1997 gemeinsam mit Reich veröffentlichte Ökumenebrief, die Flughafen­seelsorge, die Bahnhofkirche in Zürich sind Spu­­ren seines ökumenischen Vorantastens. Am 6. Juni starb Peter Henrici in Brig.