Glauben leben heisst auch Politik machen

Kommentar

Wenn Pfarrpersonen überzeugt sind, handeln zu müssen, ist es ihre Pflicht, das zu tun - auch wenn es politisch ist, schreibt Marius Schären.

Der Mensch. «Die Kirche» habe in der Politik nichts zu suchen: Diese grund­sätzliche Forderung wird mindestens bei jeder Abstimmung laut, in der kirchliche Exponenten oder Orga­nisationen Stellung beziehen. Sie ist aber nicht umsetzbar – und nicht reformiert: Schon für Zwingli hatte selbst die Verkündigung eine poli­tische Dimension. Zudem: Wir sind alle politisch, ob wir es wollen oder nicht. Unser Handeln hat politische Fol­gen, da wir in einer politisch orga­nisierten Gesellschaft leben. Ob ich einen Bio-Apfel direkt vom Bauern in der Nähe kaufe oder einen aus Südafri­ka im Supermarkt: Schon wie wir unsere Nahrung beschaffen, hat Konsequenzen für Gesetze. Anderes Handeln hätte andere staatliche Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Landwirtschaft zur Folge.

Die Gemeinschaft. Hinzu kommt: Kirchliche Organisationen, Glaubensgemeinschaften sind auch Interes­sengemeinschaften. Logisch, dass sie sich dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen zu ihren Gunsten ge­staltet werden – allein schon, wenn sie ihre Glaubensgrundsätze durch staatliche Rahmenbedingungen tangiert sehen. Umso mehr, wenn diese Rahmenbedingungen die Einnahmen – und damit die Möglichkeiten – der Gemeinschaft direkt beeinflussen. So wie es bei der Unternehmenssteuer­reform III der Fall ist.

Das Vertrauen. Nun kann «die» Kirche nicht direkt mit einer Gewerkschaft oder einem Pharmaunternehmen verglichen werden. Es gibt sie so nämlich gar nicht. Und das Evangelium ist weder Parteiprogramm noch Busi­nessplan, noch Statut. Das macht es kompliziert. Es bedingt, dass Ver­trauenspersonen der Glaubensgemein­schaft – wie Pfarrerinnen und Pfarrer – mit Bedacht handeln. Es bedingt, dass sie nicht ihre Pflichten und kein einziges Mitglied vernachlässigen. Es bedingt, dass sie nicht egoistisch handeln. Eine Pflicht ist es aber auch, ehrlich Mensch zu sein, für sich und für die Gemeinschaft. Das bedingt schliess­lich auch zu handeln, wenn sie überzeugt sind, es tun zu müssen. Und das verdient Vertrauen statt dessen Entzug.