Viele Mitglieder ärgern sich, wenn sich die Landeskirchen politisch äussern. Auch in den Leserbriefspalten dieser Zeitung zeigt sich dieser Unmut immer wieder – zuletzt, als «reformiert.» über die kirchlichen Stellungnahmen im Vorfeld der Selbstbestimmungsinitiative berichtete. Die Kirche, so lautet die Kritik, sei doch keine politische Partei. Vielmehr bestehe ihr Verkündigungsauftrag darin, Bibelstellen auszulegen und allgemein gehaltene ethische Denkanstösse zu liefern.
Die Gegenseite jedoch mahnt: Eine Kirche, die zur Politik schweige, sei nicht mehr relevant. Auch Jesus sei politisch gewesen, als mutiger Kämpfer für eine gerechtere Welt. Jesus zum Sozialrevolutionär zu erklären und politisch zu vereinnahmen, ist allerdings problematisch. Er war am tagespolitischen Geschäft der römischen Besatzer nicht interessiert. Ihm ging es um das Reich Gottes. In Gleichnissen sprach der Wanderprediger aus Galiläa davon, wie dieses Reich beschaffen ist und wie es die Menschen, aber auch die Gesellschaft verwandelt, hin zu Frieden, Liebe und Gerechtigkeit. Realpolitik im heutigen Sinn war das nicht.
Entscheidend ist das Wie
Die Welt, in der wir leben, ist jedoch eine Welt politischer Entscheide. Über Frieden und mehr Gerechtigkeit wird in Parlamenten, am Verhandlungstisch und an Abstimmungsurnen entschieden. Die Kirchen würden sich vor ihrem Auftrag drücken, wenn sie sich aus der Debatte heraushielten. Ihre Vertreterinnen und Vertreter sollen mitreden, in Positionspapieren, offenen Briefen und Diskussionen, allenfalls auch in der Predigt.
Aber nicht im Geist ideologischer Volksbelehrung. Sondern im Bestreben, den biblisch fundierten Forderungen nach Nächstenliebe und Bewahrung der Schöpfung Geltung zu verschaffen. Wer denn sonst als meine Kirche soll mich in der Politik mit christlichen Argumenten versorgen? Im Entscheid, wie ich abstimme, bin ich immer noch frei.