Politik 18. Juli 2024, von Sandra Hohendahl-Tesch, Cornelia Krause

Donald Trump ist für Evangelikale der Auserwählte

Ausland

Das Attentat auf Trump legt tiefe religiöse Überzeugungen offen. Beispiele aus amerikanischen Kirchen zeigen, wie evangelikale Pastoren in seiner Rettung etwas Göttliches sehen.

Denkbar knapp ist der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump auf einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstat Pennsylvania einer schweren Verletzung oder gar dem Tod entkommen. Die Kugeln des Attentäters streiften nur sein Ohr – weil Trump in der entscheidenden Sekunde den Kopf in eine andere Richtung drehte. Während das Motiv des 20-Jährigen Attentäters weiterhin Rätsel aufgibt, wird das schicksalshafte Ereignis von Trump selbst und von vielen Anhängern höheren Mächten zugeschrieben. Gott alleine habe verhindert, dass das Undenkbare passiert, schrieb Trump unmittelbar nach dem Attentat auf der Social-Media-Plattform Truth Social. «Statt Angst zu haben, bleiben wir in unserem Glauben standhaft und trotzen dem Bösen». In einem Interview mit der Zeitung «New York Post» sagte Trump, der behandelnde Arzt habe mit Blick auf die leichte Verletzung von einem «Wunder» gesprochen. Glück oder Gott sei es zu verdanken, dass er noch am Leben sei. «Viele Menschen sagen, ich bin nur wegen Gott noch hier.» Auch in privaten Gesprächen seit dem Attentat soll sich der Republikaner ähnlich geäussert haben.

Die Interpretation passt in das Bild, das Trump im Wahlkampf bislang von sich gezeichnet hat und sie dürfte den Glauben evangelikaler Wähler, es handle sich bei dem Unternehmer und Ex-Präsidenten um einen von Gott auserwählten Kandidaten, weiter zementieren. In einem im Januar veröffentlichten Video mit dem Titel «God made Trump» («Gott erschuf Trump») stilisierte sich der ehemalige Präsident zu einer Art Messias, der von Gott entsendet wurde, um Amerika zu retten. Ein Grossteil der evangelikalen Wählerschaft ist Trump seit Jahren treu ergeben, unter anderem, weil dieser während seiner letzten Amtszeit die Weichen dafür stellte, dass das verfassungsmässige Recht auf Abtreibung vom Supreme Court gekippt wurde.

Gott als Politiker

Konservative evangelikale Pastoren nahmen die Rhetorik des «Auserwählten» nur wenige Stunden nach dem Attentat in ihren Sonntagsgottesdiensten auf. So etwa der Pastor Robert Jeffress von der Gemeinde «First Baptist Dallas», der Donald Trump 2021 für eine Weihnachtsansprache in die Megachurch eingeladen hatte und Trump als «Freund der Gemeinde» bezeichnet. Jeffress ist einer der prominentesten Pastoren innerhalb der konservativen «Southern Baptist Convention» und ein Vertreter des «Christlichen Nationalismus», einer Ideologie, die auf der Ansicht fusst, dass Amerika als christliche Nation gegründet worden sei und sich das in der politischen Führung des Landes niederschlagen müsse. Amerikanisch-Sein und Christ-Sein werden miteinander verschmolzen. 

«Gott hat Trump verschont, damit er unsere Nation zurück zu den Wurzeln ihres Jüdisch-Christlichen Fundaments holt.», sagte Jeffress vor hunderten Gläubigen im Zentrum von Dallas. Der Pastor erinnerte sich an ein persönliches Gespräch mit dem einstigen Unternehmer Trump vor einigen Jahren zurück. Damals habe er Trump erklärt, dass Gott wie im Buch Daniel (Kapitel 2 Vers 21), Könige einsetze aber auch stürze. Manche Menschen seien der Ansicht, Gott habe nichts mit Politik und Wahlen zu tun, sagte Jeffress. «Er hat alles damit zu tun. Gott kümmert sich um das, was in Regierungen auf der ganzen Welt passiert.»

Freund von Israel

Nicht nur im konservativen Texas, auch in liberalen Staaten wie Kalifornien feierten evangelikale Prediger den glimpflichen Ausgang des Attentats als ein von Gott gewolltes Schicksal. Eine der grössten evangelikalen Gemeinden im Golden State mit über 10 000 Mitgliedern ist die Calvary Chapel in Chino Hills. Gründer Pastor Jack Hibbs ist für seine strenge Auslegung der Bibel bekannt. 

Am Tag nach den dramatischen Ereignissen in Pennsylvania erschien Gibbs in schwarzer Robe auf der Bühne. Diesen Mantel trage er nur bei besonders schwerwiegenden Ereignissen, sagte er. Seiner eindringlichen Predigt, die sich via Stream mitverfolgen liess, schickte er Filmmaterial von den dramatischen Szenen der Schiesserei am Parteitag der Republikaner voraus. 

«Warum lebt Donald Trump noch?», fragte Gibbs rhetorisch. Er erinnerte daran, dass Trump während seiner ersten Wahlkampagne von niemandem ernst genommen wurde, «weder von CNN, Fox News, NBC, noch den Republikanern oder den Demokraten». Dennoch habe er überraschend gewonnen und mit seinem Sieg die Welt schockiert. Schnell sei er zum besten Freund Israels geworden, sagte Gibbs. Gott habe Trump «nicht wegen seiner Persönlichkeit, sondern wegen seiner Entscheidungen zur Unterstützung Israels» gerettet und gesegnet.

Wie Israel eine von Gott auserwählte Nation sei, seien es auch die USA. Für Gibbs ist Trump deshalb der richtige Mann, um «unsere Nation zu Gott zurückzuführen.» Nur so könne Amerika auf den Pfad der Tugend zurückfinden – weg von einer sexualisierten, selbstgerechten Kultur, wie sie zum Beispiel auf sozialen Plattformen wie Tik Tok gefeiert werde.

Zur Wahl empfohlen

Mit seiner politischen Botschaft in Bezug auf Israel steht Gibbs nicht alleine da. Wie das Magazin «Politico» in einem Onlineartikel schreibt, bezog sich auch der konservative Pastor Jentezen Franklin von der Free Chapel im Bundesstaat Georgia in seiner Predigt am 14. Juli auf alttestamentarische Prophezeiungen zu Israel und auf eine Rettung des Volkes durch einen auserwählten Führer. In diesem Sinne bat Franklin vor seiner mehrere tausend Menschen umfassenden Gemeinde inständig, Trump «zu einem Mann mit einer Mission» zu machen, um Amerika «stark und mächtig» zu halten. Mit Trump verbindet ihn eine persönliche Freundschaft. Auf Facebook gibt Franklin gar gleich seine Wahlempfehlung ab: «Ich bin stolz, diesen Mann zu kennen, und werde weiterhin ein Freund sein, auf den er zählen kann. Ich weiss, wen ich am 5. November wählen werde! Registriert euch zum Wählen, die Zeit läuft ab.»

Wie die drei Beispiele zeigen, schlägt das Attentat auf Donald Trump nicht nur politische Wellen. Viel mehr bringt es auch tiefe religiöse Überzeugungen zum Vorschein. Die Interpretation vieler evangelikaler Pastoren, dass Trump durch göttliche Vorsehung gerettet wurde, unterstreicht seine Rolle als symbolische Figur im Kampf um Amerikas moralische Ausrichtung – sei es in Bezug auf Abreibung, die gleichgeschlechtliche Ehe oder die Israelpolitik.