Herr Zeller, die Hälfte der Berner Wohnbevölkerung ist nach wie vor reformiert. Warum ist das so?
Andreas Zeller: Zum einen, weil in Bern die weltliche Obrigkeit entscheidend an der Reformation beteiligt war. Das sorgte von Anfang an für eine enge, gewissermassen staatsbürgerliche Anbindung der Bevölkerung an die reformierte Kirche. Zum anderen, weil Bern ein bevölkerungsreicher Kanton mit grossen ländlichen Regionen ist, in denen sich die Leute mit der Kirche identifizieren. Kirchentreue gehört zumindest auf dem Land ein wenig zum Berner Charakter.
Allerdings erodiert der Kirchenbezug auch in Bern, jährlich sind rund 4000 Austritte zu verzeichnen. Kein Ende in Sicht?
Das hoffen wir natürlich nicht. Diese Entwicklung ist unter anderem die Folge einer gewissen Entsolidarisierung. Viele Leute denken, ich habe bis jetzt nie von der Kirche profitiert, weshalb sollte ich sie mitzahlen? Deshalb ist es wichtig, dass die Kirche zeigt, was sie zum Wohl der Allgemeinheit leistet. Ihre gesellschaftlichen Leistungen sind gemäss einer Berechnung ungefähr das Doppelte dessen wert, was der Staat an die Pfarrlöhne zahlt. Gerade letzten Frühling während des Lockdowns wurde die Kirche öffentlich sehr gut wahrgenommen.
Konkret?
Noch vor zehn Jahren hatten die Kirchen in der Presse das Image «kleiner, älter, ärmer». Heuer spürte man in den Medien grosse Wertschätzung. Die Kirche hat sich während der Krise ja auch stark eingebracht. Wir von Refbejuso stellten eine Taskforce auf die Beine, die die Kirchgemeinden in ihrem Wirken beriet und unterstützte. Zudem ist ein digitaler Schub durch die Kirchenlandschaft gegangen. All die Videopredigten der Pfarrerinnen und Pfarrer, weiter auch die von der reformierten Landeskirche finanzierte Übertragung von Gottesdiensten auf Telebärn brachten Tausende von Zuschauerinnen und Zuschauern vor den Bildschirm. Auch die Sozialdiakone und -diakoninnen waren enorm aktiv.