Recherche 26. März 2023, von Christian Kaiser

«Höchste Zeit die Investments zu überdenken»

Finanzen

Der Untergang der Credit Suisse hat das Vertrauen in die Banken arg erschüttert. Kirchennahe Beobachter sagen, die Kirchen müssten jetzt ihr Anlageverhalten neu ausrichten.

Vertrauen gilt als die Hartwährung im Banking. Im Zuge der überraschenden, erzwungenen Übernahme der Credit Suisse durch die UBS scheint das Vertrauen in die Schweizer Banken zerbröselt wie von der Klimaerwärmung geschmolzenes Permafrostgestein in den Alpen. Auch das internationale Vertrauen in die politischen Institutionen und den Schweizer Finanzplatz ist aufgeweicht: Dass die Politik Notrecht angewendet hat und weder die Aktionäre der CS noch der UBS irgendetwas zu sagen hatten, sorgte im Ausland für Irritationen. Das internationale Vertrauen in die Solidität der finanziellen Alpenfestung und ihre Hartwährung bröckelt.

Nicht nach Rendite jagen

«Als Staatsbürgerin einer Direkten Demokratie würde ich meinen: nicht gerade die feine englische Art, wie das abgelaufen ist», sagt die Thurgauer Kirchenratspräsidentin Christina Aus der Au im Interview. «Aber vielleicht war die Wahl, per Notrecht einen Bankenkoloss zu schaffen, tatsächlich die Wahl des kleineren Übels, wenn die Alternative ein Kollaps des Systems gewesen wäre.»

Aus der Au versteht etwas vom Bankgeschäft. Sie war mehr als zehn Jahre lang Verwaltungsrätin bei der Alternativen Bank Schweiz ABS. «Unsere Kundinnen und Kunden sind nicht diejenigen, die der Rendite hinterherjagen. Sondern sie sind aus ethischen Gründen bei uns und legen langfristig an.» Die ABS sei deshalb vom allgemeinen «Rattenrennen» nach immer höherer Rendite verschont geblieben.

Den Hauptjob nicht gemacht

Für Aus der Au steht fest: Der Hauptgrund für das Aus der CS war, dass die Banker das Vertrauen in sie verspielt hatten. «Der primäre Job der Banker besteht darin, das Vertrauen der Kundschaft in sie zu rechtfertigen. Und das haben sie offensichtlich nicht geschafft.» Nicht erst die Krisenkommunikation des Managements zuletzt sei eine Katastrophe gewesen, die CS habe davor schon jahrelang mit diversen Skandalen dafür gesorgt, dass ihr Image immer schlechter wurde.

Auch für David Atwood zeigen sich im CS-Untergang Fragestellungen, die uns als Gesellschaft interessieren müssen: «Etwa jene nach der moralischen Integrität von Bankerinnen und Bankern.» Davon hänge das Gesamtimage der Branche ab und der Ruf des Wirtschaftsstandorts Schweiz. Atwood leitet das Zentrum für Religion, Wirtschaft, Politik ZRWP, welches die Verquickungen von Wirtschaft und Politik untersucht.

Atwood findet, es gehe nun darum, wieder die grössere ethische Perspektive in den Blick zu nehmen: «Wie schaffen wir es, die Finanzbranche auf ein ökologischeres und sozial-verantwortliches Fundament zu stellen?» Den Kirchen käme dabei eine Vorbild- und Vorreiterrolle zu. «Die Kirche als Institution ist angehalten, ihre Gelder so anzulegen, dass sie dahinterstehen kann», sagt Atwood. Die Kirche müsse darum von den Banken, mit denen sie verkehrt, ethisch-moralische Standards einfordern. «Dazu gehören sozial-verantwortliche Kriterien bei der Auswahl der Investments, Transparenz und eine korrekte Compliance, welche die Einhaltung der Regeln sicherstellt.» 2020 hat die Zürcher Landeskirche bei ihren Anlagen Schritte in diese Richtung unternommen.

Christina aus der Au kommt zum selben Schluss: Die grossen Kantonalkirchen müssten sich allerspätestens jetzt Gedanken machen, wo und wie sie ihre Finanzen anlegen. «Nicht aus der Angst vor Verlusten, sondern aus dem Bestreben heraus, mit ihrem vielen Geld zu einer besseren Welt beizutragen.»