Recherche 14. September 2020, von Cornelia Krause

Landeskirche will ihr Geld nachhaltiger investieren

Geldanlagen

Bei den Anlagen setzt die reformierte Kirche vermehrt auf Firmen, die ökologisch und sozial verträglich wirtschaften. Auf Kosten der Rendite soll die neue Strategie nicht gehen.

Nachhaltige Geldanlagen boomen: 2019 wurden in der Schweiz 1163 Milliarden Franken nach ökologischen oder sozialen Kriterien angelegt, wie der Verband Swiss Sustainable Finance erhob. Vor zehn Jahren waren es nur 32 Milliarden. Mit Anlagen verdienen und ein gutes Gewissen haben, will auch die Zürcher Kirche. Sie baut ihr Wertschriften-Portfolio um, Nachhaltigkeit soll eine grössere Rolle spielen. «Wir haben eine Verpflichtung, sorgfältig mit unseren Mitteln zu haushalten. Zugleich müssen wir als Kirche ethisch, ökologisch und sozial erfolgreich wirtschaften», sagt die für Finanzen zuständige Kirchenrätin Katharina Kull-Benz.

Im letzten Jahr verabschiedete der Kirchenrat ein neues Regelwerk. Mit diesem trägt er auch dem aktuellen Zinsumfeld Rechnung. Die Landeskirche will weniger in niedrig rentierende Obligationen investieren. Aktien und alternative Anlagen hält sie derzeit für interessanter, um Rendite zu erwirtschaften. Zudem hat sie flüssige Mittel von knapp 47 Millionen Franken aufgebaut. Künftig will sie deshalb mehr investieren als bisher.

Sündenfall Rio Tinto

Mit ihrem Portfolio startete die Kirche 1995, damals hatte es einen Wert von 5 Millionen Franken. Seither wurden kaum weitere Mittel zugeführt, Ende 2019 stand es bei knapp 9 Millionen Franken. Das Portfolio, in das «reformiert.» Einsicht nehmen konnte, wird bisher von der ZKB im Rahmen eines Beratungsmandates betreut. Das alte Reglement von 2011 hatte festgelegt, dass die Kirche unter anderem nicht in Firmen investieren darf, die Sozial- und Umweltnormen systematisch unterlaufen, Rüstungsgüter produzieren oder Menschenrechte verletzen.

Trotz der Ausschlusskriterien befanden sich im Wertschriftendepot bis vor drei Jahren Papiere des britisch-australischen Bergbaukonzerns Rio Tinto, der aufgrund von Umsiedlungen und Korruptionsvorwürfen in der Kritik stand. «Die grösste Aktienposition ist momentan Nestlé, ein Lebensmittelmulti, der wegen seines Wassergeschäfts sowie Kinder- und Zwangsarbeit auf Palmölplantagen in Malaysia immer wieder Negativschlagzeilen schreibt», moniert der Synodale Peter Fischer. Er zog mit einem Kollegen bis vor das Bundesgericht, um Einsicht ins Portfolio zu erhalten, denn der Kirchenrat wollte die konkreten Positionen zuerst nicht offenlegen.

Fischer sieht weitere Mängel: «Der klassische Mikrofinanzbereich, die Vergabe von Kleinkrediten an Menschen in den Entwicklungsländern, kommt im Portfolio gar nicht vor.» Das soll sich ändern: Neben Mikrofinanz-Anlagen will die Landeskirche vermehrt auch Unternehmen berücksichtigen, die etwa Mitverantwortung für Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben weltweit übernehmen oder sich für die Reduktion von Wasserverbrauch und Emissionen einsetzen. Das neue Reglement enthält also nicht nur Negativ-, sondern auch Positivkriterien. Zudem erwähnt es «Impact Investment», Investitionen, mit denen Anleger einen positiven, messbaren sozialen oder ökologischen Einfluss erzielen.

Streitfall Nestlé-Aktie

Anteile an Schweizer Grossunternehmen wie Nestlé, UBS oder Novartis werden wohl weiterhin einen festen Platz im Portfolio haben. Die Landeskirche legt nämlich fest, dass Anlagen vor allem in liquide und finanziell solide Titel getätigt werden sollen. Vielfach dürften Depot-Manager daher Unternehmen auswählen, die sich punkto Nachhaltigkeit vor allem im Vergleich mit der Konkurrenz gut schlagen. Damit folge die Kirche einem Best-In-Class-Ansatz, erklärt Sabine Döbeli, Chefin von Swiss Sustainable Finance.

Nestlé etwa hat sich bis 2050 Klimaneutralität zum Ziel gesetzt. Obwohl einzelne Geschäftsbereiche kritisiert werden, bescheinigen Analysten dem Konzern Nachhaltigkeitsengagement. «Nestlé hat sich gut entwickelt, deshalb habe ich mit der Aktie keine Mühe», sagt Dieter Zaugg, Leiter Ressourcen. Er hat bisher aufgrund von Bankempfehlungen die konkreten Anlageentscheide für die Kirche getroffen. Den Best-In-Class-Ansatz in der Kombination mit Ausschlusskriterien und «ergänzt durch Impact Investment» sieht Döbeli grundsätzlich als eine sinnvolle Lösung an. Diese Strategie komme einer eher geringen Investitionssumme von neun Millionen Franken gelegen und sei mit einem vergleichsweise niedrigen Risiko behaftet.

Ein konkretes Ziel fehlt

Eine schmälere Rendite infolge der auf mehr Nachhaltigkeit ausgelegten Anlagestrategie sei nicht zu befürchten, sind sich Expertin Döbeli und Kirchenrätin Kull-Benz einig. Im Reglement stehen die finanzielle Sicherheit der Zentralkasse sowie eine «marktgerechte Rendite» an  oberster Stelle. Angesichts sinkender Mitgliederzahlen gewinne eine erfolgreiche Anlagestrategie an Bedeutung, sagt Kull-Benz. Klar ist aber auch: Die Kosten für die Vermögensverwaltung werden steigen, unter anderem weil der Kirchenrat die Anlagen in die Hände mehrerer Anbieter legen will.

Döbeli bemängelt, dass die Landeskirche kein konkretes Ziel formuliert hat, als Investor auf Firmen aktiv einzuwirken. Der entscheidende Punkt fehlt im Reglement. Dabei ist die Kirche seit 2019 Mitglied bei Ethos, der Stiftung für eine nachhaltige Entwicklung. Sie will den Austausch mit Firmen fördern. Studien hätten belegt, dass der Dialog mit Aktionären auf Unternehmen die grösste Wirkung habe, sagt Döbeli. Auch Fischer fordert: «Die Kirche muss eine kritische Aktionärin sein.»