Recherche 22. Dezember 2020, von Cornelia Krause

Die starke Frau hinter dem Samichlaus

Advent

Die Präsidentin der St. Nikolausgesellschaft Zürich sorgt dafür, dass Samichlaus und Schmutzli Kinder wenigstens per Zoom besuchen können.

Rote Mütze, weisser Bart, ein gütiges Lächeln: Karin Diefenbacher trägt den Samichlaus im Gesicht. Er prangt auf ihrer Schutzmaske. Schon beim Eintritt in die Samichlaus-Zentrale, der Zivilschutzanlage unter dem Zürcher Strassenverkehrsamt, wird klar, hier geht es nur um Einen: Er sitzt – aus Gips – vor dem Christbaum und säumt, auf Holzstümpfe gemalt, den Weg zu Büros, Küche und Garderoben.

Diefenbacher ist quasi die starke Frau hinter dem Samichlaus: Seit zwei Jahren ist sie ehrenamtliche Präsidentin der St. Nikolausgesellschaft der Stadt Zürich. Ihre Mitglieder besuchen als Samichläuse und Schmutzlis jedes Jahr Hunderte Menschen. Dieses Jahr ist coronabedingt vieles anders: «Kein Umzug auf der Bahnhofstrasse, keine Besuche in Wohnungen, Krippen, Seniorenheimen, auch das Waldhüsli, in dem der Samichlaus Menschen empfing: Alles mussten wir absagen», zählt Diefenbacher auf.

Keine Katerstimmung

Sie sitzt in der Bartli-Stube, einem Gemeinschaftsraum, dessen Tische nun von grossen Plexiglasscheiben durchtrennt sind. Die schwierige Ausgangslage wäre ein Grund für Katerstimmung, doch Diefenbacher spricht nur von «einem besonderen Jahr», das auch vom Samichlaus besondere Massnahmen erfordert. So kommt es, dass der Samichlaus die Menschen in diesem Jahr per Zoomschalte besucht. Rund 80 Termine wurden gebucht. Überraschend viele: «Wir hatten mit höchstens 50 gerechnet», sagt Diefenbacher und die Lachfältchen um ihre braunen Augen treten hervor. 

Seit 13 Jahren ist sie in der Gesellschaft aktiv, leitete den Wohltätigkeitsbereich «Gebende Hand» und kutschierte zudem als «Eseli» Samichlaus und Schmutzli mit dem Auto zu ihren Einsätzen. Die Gespräche zwischen Samichlaus und Kindern kann sie mit Gestik und Mimik -re-zitieren, als stecke sie selbst im roten Gewand. («Meinscht nit, dis Mami macht sich Sorge, wenn Du Dir ufm Heiweg vo de Schuel so vil Zit nimscht.») Als Eseli bekomme man viel mit, sagt sie. Auch Schwieriges: Etwa, wenn der Samichlaus ein todkrankes Kind besucht, das sich noch einen letzten Besuch gewünscht hat. «Danach zur Firmenbetriebsfeier zu fahren, das braucht Kraft, da ist man auch als Eseli gefordert.» Solche Situationen sind Diefenbacher nicht fremd, beruflich leitet sie ein Spitex-Pflegeteam.

Chlaus schreibt rote Zahlen

Ihr Verständnis für «ihre Manne» in roten und braunen Mänteln war ausschlaggebend für ihre Wahl, obwohl es auch Proteste gegen die Frau an der Spitze gab. Einige Mitglieder traten aus, für manch Konservativen sei es undenkbar, dass -eine Frau die Samichläuse präsidiert, erzählt Diefenbacher. Mittlerweile haben sich die Wogen geglättet. Einige Chläuse seien zurückgekommen. Wichtig ist ihr, dass innovative Vorschläge der Basis gehört werden. So seien etwa abendliche Waldhüsli-Besuche für Familien entstanden oder nun die Samichlaus-Videokonferenzen. Dass das «besondere Jahr» ein einzelnes bleibt, darauf hofft Karin Diefenbacher aus vielen Gründen. Einer ist finanziell: Die Zoom-Einsätze machen die bis zu 900 Besuche in normalen Jahren nicht an-nähernd wett. Die Gesellschaft un-terstützt mit ihren Einnahmen Bedürftige, oftmals Familien. Dieses Geld fehle nun. «Auch der Samichlaus macht dieses Jahr Minus», sagt Diefenbacher.

Videoredaktorin Vera Kluser hat den Samichlaus im Home-Office interviewt: