Wer dieser Tage auf der Autobahn A13 Richtung San Bernadino fährt,
wird auf der Höhe des Dorfes Andeer etwas Besonderes entdecken. Schon
von Weitem sichtbar, blitzt etwas Weisses durch das satte, sommerliche
Grün der Bäume – das Modell der ersten Autobahnkirche der Schweiz im
Massstab 1 : 1. Der Entwurf der Kirche kommt vom Basler Architekturbüro
Herzog & de Meuron. Es besteht im Wesentlichen aus einem
überirdischen Raum, der mit einer unterirdischen Raumsequenz verbunden
ist. Die reformierte und die katholische Landeskirche Graubünden
unterstützen das 7-Millionen-Franken-Projekt.
Ähnlich dem menschlichen Ohr
Das menschliche Ohr diente als Inspiration für die Gestaltung der unterirdischen Räume. «Die Menschen, die diese Kapelle besuchen, verweilen dort eine gewisse Zeit, mit sich selbst, ihren Gedanken. Bei der Konzeption der Räume inspirierte uns das Ohr als Organ der Wahrnehmung. Ein physikalischer Impuls wird über die Gehörgänge ins Gehirn geleitet und dort interpretiert und wahrgenommen», erklärt Martin Knüsel, Partner bei Herzog & de Meuron.
Die Besuchenden
laufen durch einen Gang und können sich dann in eine der von ihm
abzweigenden zwei Nischen begeben. Dort findet sich eine Kapelle mit
Kerzen und eine mit Andachtsbuch und Bibel. In eine Wand ist ein feines
Kreuz eingelassen.
«Das sind Symbole und
Gegenstände, die üblicherweise in einer christlichen Autobahnkirche zu
finden sind», sagt Pfarrer Jens Köhre, Mitinitiator des Projekts. Er
konnte mit Projektleiter Martin Cantieni aus Andeer und der
Interessengemeinschaft (IG) Autobahnkirche das Projekt aufgleisen.
Die Kirche selbst wird der Stiftung Autobahnkirche Andeer gehören. Laut
Stiftungszweck soll der Bau der Öffentlichkeit als Ort der Rast und
Ruhe, des Gebets und der Spiritualität dienen. Kirchliche Handlungen im
engeren Sinn, wie Taufe, Kommunion, Konfirmation oder Firmung,
Vermählung oder Abdankung, sollen dort nicht stattfinden.
Im Tal der Wegkirchen
Als eine touristische Aufwertung seines Heimatdorfes Andeer empfindet
Martin Cantieni die geplante Kirche. Etwa fünf Millionen Menschen
befahren jährlich die A13, die nach dem Gotthard wichtigste
Alpentransversale der Schweiz. «Für diese Durchreisenden planen wir die
Kirche», sagt Cantieni. «Wir wünschen uns, dass Reisende anhalten und
unser schönes Tal geniessen.»
Sein Heimattal, das Val Schons, pflegt eine lange Tradition der Wegkirchen,
liegt es doch an einer der ältesten und wichtigsten Transitstrecken von
Nord nach Süd. Die sogenannte Commercialstrasse, die in Chur beginnt und von Thusis über den Splügenpass bis Chiavenna sowie über den
San-Bernardino-Pass bis nach Bellinzona führt, feiert dieses Jahr ihr
200-jähriges Jubiläum. Das Modell der Autobahnkirche zeigt bereits jetzt vor Ort, wie sich die Kirche in die Landschaft fügt.