Die Kirchgemeinde Zürich wolle jungen Menschen «eine Chance bieten, eigenverantwortlich an ihren Zielen und ihrer Zukunft zu arbeiten», heisst es in der Medienmitteilung vom 10. Juli. Sie überlässt die 1909 erbaute und seit 2018 nicht mehr genutzte Kirche für vorerst zwei Jahre dem Verein Klimastreikräume. Der Verein hat sich eigens für die Nutzung der Kirche aus dem Netzwerk der Klimajugend konstituiert. Mitglied Annik Färber freut sich über das neue Lokal. «Unsere Bewegung sucht schon lange Räume. Es ist sehr schwierig, in der Stadt Zürich etwas zu finden.»
Klimajugend zieht in Kirche Wipkingen ein
Die Kirchgemeinde Zürich gewährt dem Verein Klimastreikräume Gastrecht in Wipkingen. Die Kirche soll ein Treffpunkt für Menschen werden, die sich mit Klimafragen befassen.
Austausch mit dem Quartier
Wie die Klimajugend die Kirche ab Ende August im Detail nutzen wird, kann Färber noch nicht sagen. «Sicher ist, dass wir das Quartier einbeziehen wollen und etwa mit den Bewohnerinnen und Bewohnern herausfinden, wie uns die Klimakrise in Wipkingen betrifft.» Ein möglichst lebendiger Austausch mit breiten Bevölkerungsschichten schwebt ihr vor. Auch Veranstaltungen zu Klimafragen möchte der Verein in der Kirche durchführen.
«Wegen der Coronakrise ist unsere Bewegung zurzeit an einem Tiefpunkt», sagt Färber, die seit einem Jahr eine der führenden Exponentinnen der Klimajugend ist. Der ursprünglich am 15. Mai geplante Aktionstag «Strike for Future» konnte nur virtuell stattfinden. «Das ist nicht das gleiche, wie wenn Tausende auf der Strasse lautstark eine konsequente Klimapolitik fordern», bedauert Färber. Nun hofft sie, dass die Bewegung auch dank dem neuen Raum in der Wipkinger Kirche wieder in Schwung kommt. «Es ist toll, dass wir diese Möglichkeit erhalten.»
Konfessionell neutraler Verein
Dennoch möchte die Klimajugend nun nicht in die Kirchenecke gedrängt werden. «Wir sind offen für alle und wollen darum nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifiziert werden», betont die Aktivistin.
Michael Braunschweig dagegen ist überzeugt, dass die Kirche und die Klimabewegung viel verbindet. «Der Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung, also der nachhaltige Umgang mit unserem Lebensraum, ist beiden wichtig», sagt der Kirchenpfleger, der für das Ressort Gesellschaftspolitik zuständig ist.
Von der Kooperation erhofft er sich eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Bevölkerung vor Ort. «Ausserdem können wir Erfahrungen sammeln mit der Zwischennutzung eines kirchlichen Gebäudes.» Er ist gespannt auf die Reaktionen innerhalb und ausserhalb der Kirche. «Ein Kirchengebäude hat Symbolwert», betont er. Darum dürfe eine Zwischennutzung nicht gegen diesen Symbolwert verstossen, was mit der zeitlich begrenzten Abgabe an den Verein Klimastreikräume garantiert sei.
Schlechte Ökobilanz
Auf die «neue und verantwortungsvolle Nutzung der Wipkinger Kirche» freut sich auch Michael Hauser, der in der Kirchenpflege für das Ressort Immobilien zuständig ist. Er betont, dass die Kirchgemeinden nichts daran verdiene. Sie zahlt weiterhin die Grundkosten etwa für die Heizung, der Verein beteiligt sich an den laufenden Kosten.
Annik Färber hofft, dass sich die Kirche durch die Klimajugend selbst zu grösserem Engagement fürs Klima inspirieren lässt. «Für die Beheizung zahlreicher Kirchen braucht es unglaublich viel Heizöl. Hier wären vielerorts bauliche Veränderungen nötig», sagt sie.
Auch Michael Hauser räumt ein, dass Kirchen oft schlecht isoliert seien. Neue kirchliche Bauten wie etwa das geplante Haus der Diakonie im Kirchgemeindehaus Wipkingen würden nachhaltig konzipiert, betont er. Bei älteren Kirchen ist aus seiner Sicht mit Blick aufs Klima vor allem die Ausnutzung wichtig. «Wir wollen keine schlecht genutzten Häuser.» Auch darum freue er sich über die Belebung der Kirche Wipkingen.
Ende August werden der Verein und die Kirchgemeinde das neue Programm vorstellen.