Der Konflikt um das christliche Kulturerbe in Bergkarabach geht in die nächste Runde. Was ist geschehen?
Amalia van Gent: Am 3. Februar hat der aserbaidschanische Kulturminister Anar Karimow auf einer Pressekonferenz die Bildung einer Arbeitsgruppe angekündigt. Diese soll «die fiktiven Spuren, die von Armeniern auf albanischen religiösen Tempeln auf Bergkarabach hinterlassen wurden» beseitigen. Karimow bezeichnete dabei einmal mehr armenische Inschriften und Reliefs der Klöster und Kirchen als «Fälschungen». Die Sorge ist nun, dass das christliche Erbe von Bergkarabach zerstört wird.
Aserbaidschan hat im Herbst 2020 nach dem Krieg gegen Armenien sieben seiner seit 1991 von Armeniern kontrollierten Provinzen zurückerobert, wie auch einen grossen Teil von Bergkarabach. Warum will Aserbaidschan diese Denkmäler vernichten?
Um Aserbaidschans Anspruch auf Bergkarabach zu unterstreichen. Dazu propagiert der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew ein Narrativ der Geschichte, das bereits in den 1950er im ultra-nationalistischen Milieu kursierte. Es soll belegen, dass bis im 19. Jahrhundert keine Armenier in der Region lebten und deshalb keinen Anspruch auf Bergkarabach haben.
Wie geht genau das Narrativ?
Die historischen Kirchen und Tempelanlagen im Gebiet des östlichen Transkaukasiens seien das Werk des kleinen, christlichen Ur-Volks der Albaner. Die Armenier seien hingegen erst im Tross des russischen Vorstosses im 19. Jahrhundert hierher gelangt und hätten die albanischen Kirchen und Kulturstätten mit armenischen Inschriften versehen. Die Mehrheit der Historiker lehnt diese Theorie ab. Das Volk der Albaner, das mit den heutigen Albanern nicht zu verwechseln sind, hat es tatsächlich in dieser Region gegeben. Seine Spuren verloren sich aber im 13. Jahrhundert.