Rund fünfzig Menschen haben sich an diesem Montagabend im Saal des Hotels Bahnhof in Dottikon zur Heilmeditation eingefunden. Mittendrin begrüsst der hochgewachsene George Paul Huber die Gäste. Der 64-Jährige ist in der Szene bekannt. In seinem Ausbildungszentrum für Geistiges Heilen in Hendschiken hat er in den letzten 24 Jahren mehr als 2500 Heilerinnen und Heiler ausgebildet. Viele, die heute hier sind, waren einst Schüler von ihm. Andere befinden sich noch in Ausbildung oder sind aus Interesse da. Die Stimmung ist entspannt, die Atmosphäre friedlich.
Wer von Schmerzen, Schlaflosigkeit oder seelischen Problemen geplagt wird, von Arzt zu Psychotherapeut gereicht worden ist, ohne Linderung zu erfah-
ren, zieht manchmal einen Heiler bei. Geistheiler wie George Paul Huber unterstützen Hilfesuchende mit Handauflegen, Heilgesprächen und Patientenbegleitungen. «Meine Klienten sind jeglichen Alters und aus allen sozialen Schichten», sagt Huber anlässlich eines Gesprächs in seinem Ausbildungszentrum in Hendschiken. Das Unwohlsein, der Schmerz reflektiere eine Störung, die es im Gespräch zu ergründen gilt. «Körper, Geist und Seele sehen wir als Einheit, geistiges Heilen als ganzheitliche Behandlungsmethode, ergänzend zur Schulmedizin, Psycho- oder Physiotherapie.»
Heiler überbringen Licht. In Dottikon sorgen jetzt Klangschalen für einen sphärischen Einstieg in den Abend und stimmen auf die gemeinsame Mediation ein. Mit Entspannungsübungen und Affirmationen führt George Paul Huber die Anwesenden, die mit geschlossenen Augen auf ihren Stühlen sitzen, an die Lichtwelt heran, wie Insider die Quelle der göttlichen Energie nennen. Es ist ruhig im Saal. Einige meditieren mit ausgebreiteten Armen, andere sind in stiller Andacht. Gedämpft plätschern südamerikanische Rhythmen ab Band.
«Ein echter Geistheilender ist ein Lichtkanal», erklärte George Paul Huber im Gespräch vor dem Anlass. «Über die Meditation öffnet er sich der göttlichen Energie, die durch ihn hindurch zur empfangenden Person fliesst.» Diese Energie vitalisiere den Heiler gleichermassen wie den Empfänger, dessen Selbstheilungskräfte durch die Sendung angeregt werden sollen. «Wir vollbringen keine Wunder», so Huber, «aber eine Behandlung kann das Lebensgefühl und den Genesungsprozess positiv beeinflussen.» Schulmediziner sind da allerdings skeptisch. Als Standardargument gegen das Heilen führen sie den Placeboeffekt an, der ihrer Meinung nach mit diesen Behandlungen einhergeht. Dennoch gibt das Pflegepersonal in verschiedenen Spitälern Adressen von Heilern an Patienten weiter, die das wünschen. Oft sogar im Einvernehmen mit dem behandelnden Arzt. Ein Buch über Heiler in der West- und ein Folgeexemplar über die in der Deutschschweiz entwickelte sich binnen Kurzem sogar zum Bestseller.
Fehlende Anforderungen. «Die Auswahl an Heilern ist gross, aber nicht alle in der Branche sind vertrauenswürdig», räumt Huber ein. «Hierzulande fehlt eine einheitliche Reglementierung der fachlichen und qualitativen Anforderungen.» Als Fachkommissionsleiter des Schweizerischen Verbands für Natürliches Heilen SVNH und langjähriges Vorstandsmitglied der Schweizer Parapsychologischen Gesellschaft habe er sich für entsprechende Standards eingesetzt. Die Bemühungen scheiterten an internen Auseinandersetzungen und der nationalen Gesundheitspolitik.
In Dottikon laden die Heiler abschliessend zur Heilbegegnung ein. Ohne die Empfangenden zu berühren, die mit geschlossenen Augen in sich versunken vor ihnen sitzen oder stehen, fahren sie mit den Händen deren Körperkonturen nach. Vom Kopf über den Rumpf zu Beinen und Füssen, zurück zum Herz. Entspannt nehmen die Anwesenden die Zuwendung an, geniessen sie teilweise sichtlich. Unter ihnen ist Bernadette Meier-Michel, die seit Langem als Heilerin wirkt. Die Mittsechzigerin bietet jeden dritten Dienstag im Monat in der Sebastianskapelle in Baden mit anderen ihre Dienste unverbindlich und gratis an. «Heilende Berührungen haben im Christentum Tradition und finden auch in der Bibel Erwähnung», sagt Meier-Michel. Die halbstündigen Behandlungen in Baden kommen gut an.
Auch in Kirchen. Hände werden auch in einigen reformierten Kirchen aufgelegt. Die Kirchgemeinde Dürnten beruft sich dabei explizit auf die Bibel, den 2. Timotheusbrief 1,6: «Lasst die Gabe zur Wirkung kommen, die Gott dir geschenkt hat, als ich dir die Hände auflegte.». Heilende Berührungen seien ein «vergessen gegangener Schatz der christlichen Tradition», schreibt die Kirchgemeinde auf ihrer Webseite.