Messias der Schwachköpfe oder ein säkularer Prophet: Jordan Peterson polarisiert. Warum sollen ihn Theologiestudierende lesen?
Markus Huppenbauer: Gerade weil die Urteile derart weit auseinanderliegen. Mich interessieren Autoren, die kontrovers diskutiert werden. Zudem greift Peterson auf die Bibel zurück, wenn er sich mit der Lebensführung befasst, deshalb ist er theologisch spannend. Ich wünschte, wir würden in der Kirche Fragen der Lebensführung mit der gleichen Leidenschaft diskutieren.
Peterson schwimmt gegen den intellektuellen Strom. Sind Sie seelenverwandt mit ihm? Sie sind ja der Ethiker, der gegen die Konzernverantwortungsinitiative antritt und den Fleischkonsum verteidigt.
Eine sehr schöne Frage. Seelenverwandt vielleicht nicht, aber es gehört für mich zum Nachdenken über Gott und die Welt, immer wieder gegen den Strich zu bürsten. Sind sich die Leute zu schnell einig, werde ich misstrauisch. Mit Peterson verbindet mich, dass ich ungern in Schubladen gesteckt werde und mir eine offene Debatte wichtig ist. Vielleicht um den Preis, dass ich als böser Wirtschaftsfreund gelte.
Wenn Peterson mit der Bibel argumentiert: Hat er als Psychologe die theologische Kompetenz dazu?
Mit den Texten geht er verantwortungsvoll um. Sein Zugang ist unmittelbar, aber nie biblizistisch. Peterson ist ein religiöser Mensch. Die Bibel ist ihm wichtig, weil sie existenzielle Fragen verhandelt.
Ist er gläubig?
Der Frage weicht er aus, was wohl mit seiner Angst vor Schubladisierung zu tun hat. Ihn lesen ja sowohl Atheisten als auch Fromme.
Ein christliches Bekenntnis wäre somit schlecht für das Geschäft?
Es geht um mehr. Das Bekenntnis ist Peterson nicht wichtig, sondern die Frage, wie sich der Glaube im Alltag zeigt. Der Glaube muss eine Auswirkung haben. Deshalb antwortete er auf die Frage, ob Gott existiere: «Ich fürchte ja.» Die Furcht kommt daher, dass Peterson bezweifelt, dass der Mensch den Ansprüchen Gottes gerecht werden kann.