Schwerpunkt 24. März 2021, von Hans Herrmann

«Ein Bündnis über den Tod hinaus»

Geheimnisse des Glaubens

Ewiges Leben bedeute nicht einfach Unsterblichkeit, sagt der Theologe Matt­hi­as Zeindler, «sondern Gemein­schaft mit Jesus Christus, die bereits in diesem Leben wirksam ist».

Die einen sind überzeugt: «Nach dem Tod ist nicht Schluss. Der Tod bedeutet nur ein Abstreifen des Körpers; die Seele lebt weiter, in der Sphäre von Wahrheit und Erkenntnis.» Andere widersprechen. «Ewiges Leben? Dieses Märchen können nur naive Gläubige für wahr halten. Tatsache ist doch: Nach dem Tod verrottet der Körper und mit ihm das Gehirn, und ohne Gehirn gibt es kein Bewusstsein mehr.»

Die Religionskritik greife zu kurz, wenn sie Gläubigen Irrationalität vorwerfe, sagt Matthias Zeindler, Leiter Theologie der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. «Natürlich weiss auch ich als Christ, dass das Hirn nach meinem Tod zerfällt, mein Glaube setzt die Naturgesetze nicht ausser Kraft.» Ohnehin sei die «verbürgerlicht-individualisierte» Vorstellung eines Todes, der nur den Übergang in eine seelische Welt markiere, wo geliebte Verstorbene auf einen warten, nicht wirklich christlich. «Es handelt sich um eine hellenistische Idee, die den Weg ins Christentum gefunden hat.»

Der Weg an den Rand

Die biblische Schöpfungsgeschichte hält fest, dass Gott den Menschen als endliches Wesen erschaffen hat. Als der Mensch im Garten Eden verbotenerweise nach der Frucht der Erkenntnis greift, zürnt sein Schöpfer: «Dass er nun aber nicht seine Hand ausstrecke und auch noch vom Baum des Lebens nehme und esse und ewig lebe!» (Gen 3,22) Damit wird klar: Die Unsterblichkeit bleibt allein Gott vorbehalten.

Der Gedanke, dass des Menschen Leben endlich sei, zieht sich durch das ganze Alte Testament. Erst im Neuen Testament wird der Begriff des «ewigen Lebens» zentral. Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Christen in Rom: «Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir fest, dass wir mit ihm auch leben werden» (Röm 6,8).

Matthias Zeindler erklärt: «Am ewigen Leben hat gemäss dem Neuen Testament bereits jetzt teil, wer in Gemeinschaft mit Jesus lebt.» Dieses Bündnis bestehe auch nach dem Tod. Damit werde die harte Realität des Todes nicht einfach verleugnet. Aber sie bekomme ein neues Gesicht, verliere ihren Stachel.

Ewiges Leben bedeute Leben in Fülle, ein sinnerfülltes Leben. Der Weg Jesu, wie ihn die Evangelien erzählen, zeige, wo solches Leben zu finden sei: «Nicht im Weg nach oben, zu Erfolg und Reichtum, sondern auf dem Weg zu denen am Rand, den Zukurzgekommenen.»

Ist das ewige Leben also nur eine Metapher für ein erfülltes Leben in dieser Welt? Nicht nur. «Die Verheissung geht klar über den Tod hinaus», sagt Zeindler. Wie dies konkret zu verstehen sei, sei eines der grossen Geheimnisse des Glaubens.

Er verweist auf den 1. Korintherbrief, in dem Paulus um Bilder und Begriffe ringt, um das ganz Andere des ewigen Lebens anzudeuten. Der Apostel spricht davon, dass «verweslich gesät» und «unverweslich auferstanden» wird, vergleicht die himmlischen mit den irdischen Körpern, kündigt eine «Verwandlung» an, ohne je das Dasein im ewigen Leben konkret zu beschreiben.

Noch viel grösser als alles

Letztlich gilt es als Christ also, eine grosse Ungewissheit auszuhalten: Wie wird es sein, das ewige Leben? Ist es überhaupt real, wenn es sich nicht beschreiben lässt?

Zeindler lebt in Zuversicht. «Mir genügt die Überzeugung, dass das, was wir im ewigen Leben erfahren werden, noch viel grösser sein wird als alles, was wir uns mit unserem begrenzten irdischen Verstand vorstellen können.»

Matthias Zeindler ist Titularprofessor für Dogmatik an der Universität Bern.