Das Satireblatt «Postheiri» hatte im 19. Jahrhundert den Einfall: Aus Ostindien wurde Mostindien für den Thurgau abgeleitet. Äpfel und Birnen überall, das stach auch dem deutschen «Professor der Weltweisheit», Christoph Meiners, 1788 bei einer Reise in den Thurgau ins Auge. Sein schwärmerischer Befund: Die Thurgauer Landschaft komme dem am nächsten, was der Vision vom Garten Eden entspräche.
Das Apfelparadies befand sich im Thurgau schon in grauer Vorzeit. Archäologen haben aus der Asche eines Lagerfeuers der Pfahlbauer Reste eines Apfels entdeckt. Und Schriftstellerin Annette von Droste-Hülshoff notierte als Leitspruch der Thurgauer: «Besser ohne Brot als ohne Most».
In einem Reisebericht von 1837 rechnete Johann Adam Pupikofer den jährlichen Mostkonsum eines Bauernknechts aus: 40 Eimer Most, was 1600 Litern entspricht, schütte ein Knecht in sich hinein. «Selbst Kinder löschen den Durst nicht mit Wasser, sondern greifen nach dem stets bereitstehenden Mostkrug.»
Viel Most und viel Schnaps
Wahrlich explodiert ist der Obstanbau dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dank der Eisenbahn kam billiges Getreide in die Schweiz. So wurde Platz frei für Obstbäume. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich der Obstexport verdreifacht und Mostindien mischte ganz vorne mit.
«Dabei wurde auch immer mehr Schnaps gebrannt», sagt Historiker Franco Ruault, der das Museum der Möhl-Mosterei in Arbon leitet. Im Gegensatz zum stark besteuerten Kartoffelschnaps waren Obstbrände bis zur Revision der Alkoholgesetzgebung 1930 fiskalisch nicht belastet. Mit Steuern, aber auch mit einer von der Eidgenössischen Alkoholverwaltung subventionierten Baumfällaktion lichtete sich der Hochstämmerwald und verwandelte die Landschaft in Niedrigstammplantagen für Tafelobst.
Trotzdem lässt sich noch heute sagen: Der Thurgau ist jener Kanton, in dem Herr und Frau Schweizer den Most holen. Hier wird die Hälfte des Obstes geerntet, das vermostet wird. Und jeder dritte Apfel der Kategorie Tafelobst stammt aus dem Thurgau.