Hätte jemand dem Aarauer Arzt Maximilian Bircher-Brenner prophezeit, seine Diätspeise, bestehend aus Haferflocken, geraffeltem Apfel, Wasser, Zitrone und Kondensmilch, werde zur Basis eines globalen Trendfoods, dessen Name alle Sprachgrenzen überschreitet, er hätte sich wohl zufrieden über seinen langen Bart gestrichen.
Damals, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, kamen seine Ernährungstipps noch nicht gut an. Als Bircher im Jahr 1900 vor der vereinigten Zürcher Ärzteschaft verkündete, dass Rohkost gesünder als Gekochtes und Pflanzennahrung besser als Fleisch sei, winkten die Doktoren ab.
Fleisch galt als wichtigstes Nahrungsmittel, obwohl es sich nur die Reichen regelmässig leisten konnten. Vitamine und deren Bedeutung für den menschlichen Organismus wurden erst zwei Jahrzehnte danach entdeckt. Birchers Theorien wurden damit bestätigt.
Die gesunde Sennerin
Bircher war der Meinung, dass die «Sonnenlichtnahrung», wie er sie nannte, viel gesünder sei: Pflanzen nähmen Sonnenlicht auf, bauten aus anorganischen Stoffen organische Moleküle auf und hätten den höchsten Nährwert. Er war begeistert, als er auf einer Wanderung in den Genuss eines «recht seltsamen Essens» kam, das ihm eine Sennerin servierte: gemahlene Körner, kleingeschnittenes Obst, Milch und gehackte Nüsse. Die naturnah lebenden Älpler standen bei ihm ohnehin für ein gesundes Leben.
Der Doktor war überzeugt, dass dieser Brei die Genesungsprozesse bei gewissen Erkrankungen besser unterstützt als Fleisch, Milch und Eier, und bot die «Spys» als Standardfrühstück in seinem Sanatorium an. Zum Grundrezept gehörten ein bis zwei Äpfel inklusive Schale und Kerngehäuse, da üppig vorhanden und lange lagerbar.
Heute gibt es das «Müesli», ein Diminutiv von «Mues», in unzähligen Varianten. Viele stellen ihr eigenes zusammen. Der Apfel gehört längst nicht immer dazu. Bircher würde damit klarkommen. Nur den Hype um die Goji-Beere fände er wohl übertrieben.