Der Papst tut es. Die Popsängerin tut es. Der Fussballer tut es.
Und auch wir können es nicht lassen: Selfies. Die Schreibenden rücken sich selbst ins Bild zusammen mit ihren Gesprächspartnerinnen. Aber sind die schnellen Selbstporträts wirklich Indiz genug für den Narzissmus, der unserer Gesellschaft so gerne unterstellt wird? Oder waren die Menschen früher mindestens so narzisstisch? Ihre Fotokamera war halt weniger handlich und auch das Facebook-Profil fehlte, um das Selbstbild sogleich zu verbreiten.
Mit solchen Fragen machte sich «reformiert.» auf, um die kulturpessimistische Pauschalkritik zu entkräften und Spuren eines womöglich grassierenden Narzissmus freizulegen. Der Narzisst passt ja tatsächlich perfekt in die Leistungsgesellschaft: Er kompensiert mangelnde Zuneigung durch Applaus für seine Erfolge. Und er ist ein guter Konsument, weil Schönheit und Besitz Anerkennung versprechen.
Nur: Ohne Narzissmus geht es nicht. Wir brauchen Menschen, die sich exponieren, Verantwortung übernehmen. Ohne Liebe zu sich selbst ist Nächstenliebe unmöglich. Als Kriterium, wann der Narzissmus überhandnimmt und in rücksichtslose Beziehungsunfähigkeit zu kippen droht, taugt vielleicht der Witz. Wer über sich selber lachen kann und auch seine Umwelt nicht so furchtbar ernst nimmt, hat gute Chancen auf einen gesunden Narzissmus.