Schwerpunkt 27. Dezember 2018, von Constanze Broelemann

Ohne Zwingli eine Päpstin

Ohne Zwingli

Erasmus von Rotterdam setzte auf Dialog statt Schwert – vielleicht hätten seine inneren Reformen für heute Erstaunliches gebracht.

Wie es wirklich war: Die katholische Amtskirche weiht bis heute keine Frauen zu Prie­s­terinnen. Jesus habe dazu keinen Auf­trag gegeben, lautet das Hauptar­gument. 1524 trat das Konzil von Trient zu­sammen, um den Religionsstreit mit den Protestanten zu beenden und interne Re­formen anzustossen. Dies gilt als Be­ginn der Gegenreformation. Eine Reform der Pries­terweihe stand jedoch nie zur De­bat­te. In der römisch-katholischen Kir­che ist bis heute jedes ordinierte Amt für Män­ner reserviert. In der refor­mato­ri­schen Tradition hingegen wird die Frauen­ordi­na­tion auf dem Grundsatz des Priestertums aller Christen begründet. .

Wie es wäre: Was wäre, wenn die Reformatoren keine Kirchenspaltung provoziert hätten? Wenn wir nach wie vor die eine christliche Kirche, die römisch-katholische also, hätten? Wäre es unter diesen Vorzeichen sogar möglich geworden, dass irgendwann eine Päpstin auf den Heiligen Stuhl gekommen wäre? Vielleicht – wenn es die Reformatoren Huldrych Zwingli und Martin Luther nie gegeben hätte und sich der sanfte Reformflügel um den humanistischen Gelehrten Erasmus von Rotterdam durchgesetzt hätte.

Dann hätte nicht Zwingli, der die Politik stark mitgestaltete und die Tür zu den Katholiken endgültig zuschlug, den Lauf der Dinge be­einflusst. Dann hätte Erasmus, der Vermittlungstheologe das Gespräch mit den Katholiken finden können; er, der auf den Dialog und nicht auf das Schwert setzte. Der Mann, der die Anfangsworte des Johannes­evan­ge­liums mit «In principio erat sermo» – «Im Anfang war das Gespräch» – übersetzte, in Abwandlung zur gängigen Übersetzung «Im Anfang war das Wort». Die meisten Reformatoren waren zunächst «Erasmianer», ehe sie zu «Lutheranern» oder «Zwinglianern» wurden.

Mit seiner Schrift «De sarcienda ecclesiae concordia» wollte Erasmus die zerstrittenen Glaubensparteien befrieden. Er sah Katholiken und Protestanten näher beieinander, als sie es selbst taten. Während Luther eine «harte Linie» gegen das aus seiner Sicht dekadente Papsttum der römisch-katholischen Kirche vertrat, setzte sich Erasmus für «innere Reformen» ein und bat Luther um Mässigung. Erasmus blieb der katholischen Kirche bis zuletzt treu, obwohl sie seine Schriften später auf den Index setzte.

Hätte die Geschichte der Frauenordination also innerhalb katholischer Mauern beginnen können? Immerhin stand das geistliche Amt der Diakonin den Frauen bereits in frühchristlicher Zeit offen. In der Westkirche gab es bis ins 8. Jahrhundert hinein Diakoninnen, in der Ostkirche bis ins 12. Jahrhundert.

Der Verstand hat kein Geschlecht

Der Zeitgeist von Pietismus und Aufklärung, welcher der Frauenordination den Nährboden bot, hätte ohne die Reformation in der ka­tholischen Kirche Raum nehmen müssen. Im Gedankengut der Reformatoren kam es nämlich zu einer grundlegenden Änderung im Verständnis von Priestertum und Ordination. Am weitesten ging später Nikolaus Graf Zinzendorf mit seiner Brüdergemeine. Er ordinierte sowohl Presbyterinnen als auch Diakoninnen. Sätze wie jener des Cartesianers Pouly de la Barre: «Der Verstand hat kein Geschlecht», öffneten Frauen zunehmend den Zugang zur Ordination.

Als wichtige Begründung für die Frauenordination führen einige christkatholische Kirchen bis heu­te den Umstand an, dass in Jesus Christus der Mensch als Mann und Frau erlöst sei. Diese Botschaft der Er­lösung könnte im heutigen kulturellen Kontext dazu führen, dass auch die römisch-katholische Amtskirche Frauen zum Priesteramt zulässt. Dann könnte es irgendwann sogar eine Päpstin geben. Und zwar wirklich.