Ist Ökumene nur noch eine lästige Pflicht? «Natürlich nicht», war das erwartbare Fazit von Kapuzinerpater Willi Anderau und Fraumünsterpfarrer Niklaus Peter. Doch zugleich stimmten sie dem Titel des Podiumsgesprächs im Turmzimmer der Zürcher Predigerkirche auch zu: Auf beide Seiten warteten Hausaufgaben, und die mache man nicht immer gerne.
Einfacher Alltag. Was sie an der jeweils anderen Konfession beeindrucke, fragte Moderator und «reformiert.»-Redaktionsleiter Felix Reich die beiden als Erstes. Niklaus Peter schätzt die Intensität und Schönheit guter katholischer Messen und lässt sich davon für die verknappte reformierte Liturgie inspirieren. Willi Anderau ist dankbar für den ernsthaften, vertieften Umgang der Reformierten mit der Heiligen Schrift, von dem die Katholiken viel profitierten. Einig darin, dass das Miteinander an der Basis gut funktioniert, stritten sich der Pater und der Pfarrer dann unbeschwert über ihre ökumenischen Erfahrungen im Alltag. Bei gemischtkonfessionellen Hochzeiten etwa geht Anderau pragmatisch vor: Er habe viele ökumenische Trauungen allein durchgeführt, sei überzeugt, beiden Seiten gerecht zu werden. Stünden Priester und Pfarrerin da, sehe dies zwar ökumenischer aus, man betone aber so auch die Unterschiede: «Sowieso heiratet das Paar vor dem Herrgott und nicht vor einer Kirche», meinte Anderau.
Peter widersprach: «Es kommen nicht nur zwei Menschen zusammen, sondern auch zwei Familien.» Für ihn zeugt es von Sorgfalt und Respekt, einen katholischen Kollegen, eine katholische Kollegin miteinzubeziehen, nicht um Differenzen zu signalisieren, sondern um beide Traditionen wertzuschätzen.
Trotz dieser unterschiedlichen Einschätzung war für beide Exponenten klar: Im Zentrum muss immer der Mensch stehen und nicht die Lehre. Einmal mehr kam die Trennung am Abendmahlstisch zur Sprache. «Es ist einfach nur zynisch, wenn die katholischen Kirchenoberen uns zum Gebet für die Einheit aufrufen, wo doch die Macht, Einheit zu ermöglichen, allein bei ihnen liegt», sagte Anderau. Gegen alle Vorschriften feiert der Kapuzinerpater die Eucharistie immer wieder gemeinsam mit Reformierten.
Nicht nur für die Abendmahlsfrage, sondern für den ökumenischen Dialog überhaupt sieht Niklaus Peter auch auf reformierter Seite Handlungsbedarf. «Unsere Religiosität ist heute oft konturlos.» Es gelte, vermehrt darüber nachdenken, welche Glaubensgrundsätze die Reformierten wirklich teilten und gemeinsam nach aussen tragen könnten.
Gelebtes Christentum. Auch wenn sich im ökumenischen Dialog auf institutioneller Ebene wenig bewegt, endete der Abend zuversichtlich. Die säkularisierte Gesellschaft interessiere sich nicht für Dogmen, sagte Willi Anderau: «Die Menschen wollen bestenfalls hören, was das Evangelium, was wir Christen zur Welt zu sagen haben.» Und Niklaus Peter meinte: «Angesichts der Herausforderungen der heutigen Zeit wird das gelebte Christentum immer kraftvoller sein als institutionelle Fixierungen.»