Die Predigt ist seine Leidenschaft

Theologie

Das Fraumünsterpfarramt hat Niklaus Peter viele Türen geöffnet. Nun wird der Theologe pensioniert, der das reformatorische Erbe im Dialog mit der Gesellschaft gepflegt hat.

Niklaus Peter kommt nicht weit. Er bleibt auf dem Weg zum Fototermin im Kreuzgang des Fraumünsters in Zürich zweimal stehen für einen Schwatz. Man kennt sich.

Besprechung mit Aussicht

«Präsent sein in der Gemeinde» sei ihm wichtig gewesen, hat Peter kurz zuvor gesagt, als er im Besprechungszimmer an der Kämbelgasse mit Blick auf Limmat, See und Alpen 17 Jahre Fraumünsterpfarramt Revue passieren liess.

Am 27. Juni wird Peter verabschiedet. Um die Schutzkonzepte einhalten zu können, wurden drei Gottesdienste angesetzt. Sie sind bereits ausgebucht.

Die Zwillingsschwestern

Die Gottesdienstserie passt gut zu ihm. «Der Gottesdienst ist das Zentrum, aus dem heraus Bildungsangebote und auch Seelsorgegespräche wachsen», sagt Peter. In der Predigt will er die Botschaft des Evangeliums zum Leuchten bringen. Oft greift er dazu auf Gedichte, philosophische und literarische Texte zurück.

Kunst und Religion seien Zwillingsschwestern, sagte er einmal an der Manifesta, als er an einer Kunstauktion auftrat. «Es geht um Erfahrungen und Dinge, die Bestand haben, die nicht einfach verwischen wie Spuren im Sand.»

Beständigkeit ist ein Schlüsselwort. Peter ist ein Traditionalist im besten Sinn und hätte es gar nicht nötig, sich so oft von anderen Positionen abzugrenzen, wie er das im Gespräch zuweilen tut. Vielleicht ist es seine Angst vor «einer Verwässerung der Theologie», die ihn dazu verleitet.

Das Christentum habe an Selbstverständlichkeit verloren. «Als Reformierte müssen wir eine kraftvolle Minderheit sein», sagt er.

Die Tradition neu denken

Ein Verdienst des Theologen ist zweifellos, dass er dem reformierten Schatz der Verkündigung und Liturgie Sorge getragen und immer wieder den Dialog mit der Öffentlichkeit gesucht hat. Dabei geht es ihm nicht um ein ängstliches Festklammern. Das Erbe soll neu gedacht werden. «Wir müssen es aber auf dem hohen Niveau unserer geistigen Vormütter und Vorväter tun.»

Als Reformierte müssen wir eine kraftvolle Minderheit sein.
Niklaus Peter

Das Pfarramt an der Altstadtkirche öffnete Peter manche Türen. Und er hat die Räume, die sich ihm boten, ohne Schwellenangst genutzt. Ob an der Manifesta 2016, mit Leitartikeln und Kolumnen in Zeitungen oder mit unzähligen Vorträgen.

Die klingende Stille

«Die Rolle als Fraumünsterpfarrer war ein Geschenk», sagt Peter. Und gibt zu, dass ihm der Rollenverlust schwerfällt. Dafür freut er sich, mehr Zeit für die Enkel zu haben, vermehrt zu publizieren. Und klar: Predigen möchte er weiterhin.

Nach einem Bild gefragt, das ihm bleibt, kommt ihm überraschungsfrei ein Gottesdienstmoment in den Sinn. Doch die Szene spielt nicht auf der Kanzel. Nicht um Verkündigung geht es, sondern um das, was die Gemeinde im Kern ausmacht. Peter spricht vom «wiederkehrenden Moment der Stille» nach der Fürbitte.

«All die unterschiedlichen Menschen in der Kirche denken an ihre Nächsten, sie bringen vor Gott, was ihnen zu schaffen macht.» Die Stille öffne den Raum, «der die Gemeinschaft unter Menschen und Gemeinschaft mit Gott ermöglicht».

Und dann diese Fenster

Nach dem Fototermin steht Peter im Chor des Fraumünsters. Mit ausgestrecktem Arm weist er auf die Stelle in den im Morgenlicht leuchtenden Fenstern hin, an der sich der Künstler Marc Chagall selbst dargestellt hat. Gegenüber seine früh verstorbene Frau Bella Rosenfeld.

Peters Dankbarkeit, in dieser wunderbaren Kirche gewirkt haben zu dürfen, ist während dieser spontanen Kunstführung erneut spürbar.

Der kecke Stern

Sein Blick geht nach oben. Während der 2007 abgeschlossenen Innenrenovation schlug Peter vor, zu den verblassten, behutsam zu restaurierenden Sternen am Gewölbe einen neuen hinzuzusetzen. Und so leuchtet jetzt unter den rot-blauen Gestirnen keck ein goldiger Stern.

Im Stern laufen die Fäden zusammen, die Peters Theologie durch-weben. Die Schwestern Glaube und Kunst, die Pflege der Tradition, die bei aller Ernsthaftigkeit die spielerische Innovation und die kluge Intervention nicht vergisst.