Schwerpunkt 27. Oktober 2021, von Felix Reich

Grosse Würfe und kleine Schritte

Zukunft der Kirchenräume

Für Kirchen, die heutigen Ansprüchen nicht genügen oder denen die Gemeinde abhandengekommen ist, gibt es kein Patentrezept. Eine Reportage aus Basel zeigt verschiedene Wege auf.

Kirchengeld dürfe nicht im toten Gestein versickern, mahnt Lukas Kundert. Die Kirche brauche es für ihren Auftrag, die Ver­kün­­di­gung des Evangeliums und die Dia­konie.

Der Basler Kir­chenrats­präsident weiss, wovon er spricht. Für die klamme Kirche der Stadt Basel sind Gebäude zum teuren Klotz am Bein geworden. Die leeren Kassen haben die Kre­a­­tivität beflügelt, wie die Reportage aus Basel in diesem Dossier ein­drucksvoll zeigt. Die Lösungs­ansätze reichen vom Abriss über den Verkauf an eine private Stiftung bis hin zu einem Neubau.

Die Blockade überwinden

Andere Landeskirchen sind dank Unternehmenssteuern in einer komfortableren Lage. Vor der Herausforderung, Kirchen vielfältiger zu nutzen, stehen aber auch sie. In Zürich wagt die Kirchgemeinde Hirzenbach für rund 30 Millionen Franken den grossen Wurf und plant auf der Parzelle, wo heute ihre Stefanskirche mit Pfarrhaus und Kirchgemeindehaus steht, das Stefansviertel, das durch eine «alltagsbezogene Mischnutzung mit Wohnen, Arbeit und Freizeit, Essen und Trinken und Spiritu­alität» geprägt sein soll.

Vor der Herausforderung, Kirchen vielfältiger zu nutzen, stehen alle Kirchgemeinden.

Für Kirchen, die heutigen, multifunktionalen Ansprüchen nicht genügen oder denen die Gemeinde abhandengekommen ist, gibt es kein Patentrezept. Oft kosten bereits kleine Veränderungen viel Energie. Muss zum Bespiel eine Kirchgemeinde mit der Denk­malpflege darüber streiten, ob Bänke entfernt werden dürfen, ist der Frust verständlich. Dass bau­liche Zeitzeugen erhalten bleiben, ist wichtig, ihre Nutzung darf die Denkmalpflege jedoch getrost den Gemeinden überlassen.

Blockaden überwinden kann nur der Dialog. Daran arbeitet der Kunsthistoriker Johannes Stückelberger, der an der Theologischen Fakultät in Bern ein internationales Netzwerk geknüpft hat und die verschiedenen Akteure miteinander ins Gespräch bringt. Auch ihn hat «reformiert.» befragt.

Das Glück nutzloser Räume

Um die Zukunft der Kirchenräume kreativ zu gestalten, braucht es den Mut zum Scheitern. Mit kosten­günstigen Zwischennutzungen lassen sich Ideen erproben und Erfahrungen sammeln.

Vielleicht gibt es auch Kirchen, deren Wert gerade darin liegt, dass sie keinen Nutzen haben und als Freiräume zur Einkehr einladen.

Für Industrieareale war es oft ein Glück, wenn nicht gleich ein Investor mit viel Geld und einem Plan bereitstand. So konnten sich Kultur­schaffende und Gewer­betreibende einnisten und Areale nachhaltig prägen.

Vielleicht gibt es auch Kirchen, deren Wert gerade darin liegt, dass sie keinen Nutzen haben und als Freiräume zur Einkehr einladen. In einer Zeit der Übernutzung, in der Städte verdichtet werden und zweckfreie Räume verschwinden, ist der leere Raum ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt.

Gelingt es den Kirchgemeinden, ih­re Räume fantasievoll zu be­spielen und sie für die unterschiedlichsten Menschen offen zu halten, sind die Kirchen nicht mehr einfach Bauten, die Geld verschlingen. Sie werden vielmehr zu Echoräumen des Lebens, der Gemeinschaft, des Glaubens.