Musik rund um den Mond: handverlesene Auswahl der Redaktion

Mond

Kompositionen, die den Redaktionsmitgliedern von «reformiert.» am Herzen liegen. Ob inhaltlich oder nur namentlich mit dem Erdtrabanten in Verbindung: Vielfalt prägt die Auswahl.

Echt: Junimond (Text von Constanze Broelemann)

Mir kommt «Junimond» in der Coverversion von der Band Echt in den Sinn. Das Lied erinnert mich an meine Jugend. Es beschreibt das erleichternde Gefühl, wenn der Schmerz über eine unglückliches Verliebt-Sein endlich vergangen ist. «Jetzt tut`s nicht mehr weh», heisst es in einer Liedzeile. Der Song ist eigentlich von dem genialen deutschen Musiker Rio Reiser, den wir während unserer Abiturszeit wieder entdeckten.

In dem Song wird erzählt, wie sich die stürmischen Gefühle aus Trauer, Wut, Verzweiflung und Schmerz legen: «Alles steht still und kein Sturm kommt mehr auf, wenn ich dich seh`». Der Song plätschert dahin, als wollte er auch mit der Melodie das gebrochene Herz heilen und besänftigen. «Ich hab` getrunken, geraucht und gebetet» – das Gefühl, das wohl viele von uns kennen, genial in Worte gefasst. Aber jetzt ist es eben «Vorbei, bye, bye Junimond».

 

Frank Sinatra: Fly me to the moon (Text von Nadja Ehrbar)

Beim Stichwort «Mond» kommt mir als erstes das Lied «Fly me to the moon» in den Sinn. Komponiert hat es der US-Amerikaner Bart Howard unter dem Titel «In Other Words» im Jahr 1954. Seitdem entstanden mehrere Hundert Versionen in den unterschiedlichsten Stilrichtungen. Am besten gefällt mir die Aufnahme von Frank Sinatra, die Quincy Jones zusammen mit der Count-Basie-Band 1964 arrangierte.

Das Stück erinnert mich an meine Kindheit. Zur Zeit der Entstehung war ich zwar noch nicht geboren, doch die Musik von Big Bands und Swing waren in unserem Haushalt oft zu hören, mein Vater mochte den Musikstil sehr. Er spielte die Platten im Wohnzimmer ab, sehr zum Missfallen meiner Mutter, die klassische Musik dem Jazz vorzog.

1969 kam ich zur Welt und spätestens in jenem Sommer dürfte der Song weltweit bekannt geworden sein. Denn bei der Mondlandung übermittelte die Bodenstation die Studioaufnahme Sinatras per Funk an die Astronauten von Apollo 11, so dass sie während der TV-Übertragung in den Stuben rund um die Erde zu hören war.

Zum Mond fliegen wollten wir – Vater, Mutter und Bruder – nicht gerade, auch wenn uns die Fliegerei faszinierte: Wir haben alle mal für die nationale Fluggesellschaft gearbeitet. Aber eigentlich handelt das Lied gar nicht vom Fliegen, sondern von der Liebe. Die Textzeile «Flieg mich zum Mond» ist als Metapher zu verstehen.

 

Dick Hyman Trio: Old Man Mazurka (Text von Rita Gianelli)

Mondsüchtig bin ich zwar nicht; nur einer meiner Lieblingsfilme heisst so. Es ist die Liebesgeschichte italienischer Einwanderer und spielt im Amerika der Achtziger Jahre. Der Vollmond ist dabei allgegenwärtig, genauso wie Grossvater Castorini, der mit seinen Hunden durch die Strassen von Brooklyn spaziert und mit ihnen heult, wenn er den übergrossen Vollmond am Himmel erblickt: «Guarda la luna, che bella luna!»

Luna, so hiess auch unser Familienhund. Luna hatte ein Fell, das aussah wie die Oberfläche des Mondes: weiss und silbergrau meliert. Als sie noch lebte, endete unser beider Tageswerk immer mit einem kleinen Spaziergang, oft auch bei Vollmond. Manchmal kam mir dann Grossvater Castorini in den Sinn und ich summte die Filmversion der Old Man Mazurka von Dick Hyman aus «Mondsüchtig» vor mich hin. Schöner ist die längere Original Jazzversion.

Luna begann zum Glück nicht zu heulen, aber wedelte mit dem Schwanz. Noch heute, wenn ich zum Vollmond blicke, höre ich manchmal die Melodie aus «Mondsüchtig» in Gedanken und vermisse dabei Luna.

 

Ludwig van Beethoven: Mondscheinsonate (Text von Hans Herrmann)

Meine liebste Mondmusik ist die Mondscheinsonate von Ludwig van Beethoven. Dass sich daran bereits Generationen von Klavierschülerinnen und -schülern die Finger der rechten Hand beinahe überdehnt hätten, vermag der Beethoven-Sonate Nr. 14 in cis-Moll nichts anzuhaben. Dieses Werk ist von einer emotionalen Dichte, die ihresgleichen sucht, dazu klaviertechnisch raffiniert und formal spannend.

Die meisten Leute kennen nur den ersten Satz mit den langsamen Triolen und der schwermütigen, an einen Trauermarsch erinnernden Melodie. Ich finde das schade, denn ihre volle Kraft entfaltet die Komposition erst, wenn alle drei Teile erklingen.

Auf den gravitätischen ersten folgt ein leichtfüssiger zweiter Satz. Temperamentvoll schliesst der dritte und letzte Teil an, dessen feurige Sechzehntel-Arpeggios und rhythmische Akzente, zu spielen in einem scharfen Tempo, dem Interpreten alles abverlangen. Spätestens ab hier ist die Mondscheinsonate kein Schülerstück mehr.

Ihr weltweit bekannter Name stammt nicht vom Komponisten selbst, sondern – angeblich – von einem Berliner Musikkritiker, der einige Jahre nach Beethovens Tod den ersten Satz mit einer nächtlichen Fahrt in einer Barke auf dem Vierwaldstättersee verglichen haben soll. Belegt ist dies nicht.

 

Cat Power: The Moon (Text von Anouk Holthuizen)

Als ich «The Moon» von Cat Power das erste Mal hörte, hielt ich sofort inne. Die schlichten Gitarrenklänge, die sanfte Stimme, die diskreten Drums – ich spürte die mystische Stille, die mich befällt, wenn ich irgendwo draussen in der Natur den Mond betrachte. Ich habe ihn von vielen Orten aus gesehen: im Indischen Palmenwald, in der Marokkanischen Wüste, auf dem Arabischen Meer. Dass er stets da ist egal wo im Leben ich mich – geografisch, psychisch, biografisch – gerade befinde, vermittelt mir irgendwie Geborgenheit. Das Gefühl, Teil eines Universums zu sein.

Allerdings eben nur «irgendwie». Der Anblick des Mondes konfrontiert mich auch mit meinem Ende, denn wenn ich ihn ansehe weiss ich: Er bleibt, ich nicht. Diese ambivalenten Gefühle lässt Cat Power anklingen. «When they put me six feet underground, will the big bad beautiful you still be around?» Ich weiss nicht, ob Cat Power mit «you» den Mond meint, oder einen unzuverlässigen Geliebten. Oder die Menschen, die man zurücklassen muss, wenn man stirbt. Letztlich muss man es wohl nicht genau wissen. Man geht allein und kann nur hoffen, dass da irgendwas ist, das Geborgenheit gibt. Irgendwie.

 

Laura Mvula: Sing to the moon (Text von Christian Kaiser)

Es gibt viele gute Gründe, den Mond anzusingen, nicht nur wenn man ein Wolf oder Hund ist. Egal ob Voll-, Sichel-, Blut- oder Supermond, egal ob mit oder ohne Halo oder Korona – manchmal könnte auch ich laut heulen vor Rührung bei seinem Anblick. Und etwas von diesem Pathos überkommt mich jedesmal, wenn ich den Song dieser schönen Frau höre.

Man fühlt sich so, als würde das milchige Mondlicht in einen hineingenossen, und ein Hunger, von dem man gar nicht wusste, dass er da ist, kann gestillt werden: «sing to the moon and the stars will shine / over you, lead you to the other side / ... / heaven's gonna turn the tide».

Ja, der Himmel, ganz besonders der Nachthimmel, kann das: die Gezeiten ändern, einen zur anderen Seite führen. Und Laura Mvula hat einfach eine Stimme, die zu einer mondsamtigen Nacht passt. Diese Live-Version hat sie anlässlich der Friedensnobelpreisverleihung 2014 gesungen.

 

Glenn Miller: Moonlight Serenade (Text von Katharina Kilchenmann)

Den Plattenspieler konnte man wie eine Schublade aus dem braunen Möbel herausziehen. Das grosse Radio darunter diente als Lautsprecher. Ab und zu fischte sich meine Mutter ihre Lieblingsschallplatte aus der kleinen Sammlung heraus und legte sie auf den Plattenteller. Vorsichtig platzierte sie die Nadel, rückte uns zwei Stühle zurecht und zündete sich eine Zigarette an.

Was dann geschah, verblüffte mich jedes Mal aufs Neue: die «Moonlight Serenade» gespielt vom Glenn Miller Orchestra verwandelte mein Mueti in eine fremd anmutende Frau. Sie erzählte mir, wie sie kurz nach dem Krieg als Au Pair ein Jahr lang in London lebte. Wie der Hausherr Musik von Glenn Miller hörte und ihr damit eine neue Welt eröffnete. Und dass der US-Amerikanische Bandleader und Komponist kurz vor Kriegsende 1944 bei einem Flugzeugabsturz über dem Ärmelkanal ums Leben gekommen sei.

Schwelgend lauschten wir den Bläserklängen, die manchmal sanft und schmeichelnd und dann wieder hell und scheppernd daherkamen. Elegant tippte meine Mutter mit dem Fuss den Takt und sagte: «Jazz, das ist Jazz!» Ich war verzaubert. Und bis heute bedeutet Jazz für mich die Kunst, eine bittersüsse Erinnerung zu teilen.

 

Johann Abraham Peter Schulz/Matthias Claudius: Abendlied (Text von Cornelia Krause)

Als Wiegenlied ist es allgemein bekannt und es verbindet in meiner Familie die Generationen. Schon meine Eltern haben es mir gesungen, jetzt singe ich es meinen Kindern vor dem Schlafengehen. In meinem Kopf entstehen während der ersten Strophe Bilder: Die dunklen Tannen heben sich wie ein Scherenschnitt schwarz auf blau ab, ich denke mir eine Lichtung hinzu, auf der ein Reh steht. Und über der Szene steht der helle Mond, leuchten die Sterne.

Lange Jahre blieb mir von dem Lied vor allem diese berühmte erste Strophe in Erinnerung. Dass es sich um ein religiöses Abendlied handelt, offenbart sich aber erst in den folgenden Strophen. Die Naturbetrachtung gerät in den Hintergrund, es geht um menschliche Laster, Gottvertrauen, den grossen Bruder des Schlafs – den Tod. Müsste ich ein Gefühl benennen, dass dieses Lied auslöst, dann wäre es wohl Trost.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt hatte sich das Abendlied zu seiner Trauerfeier gewünscht. Über Jahrzehnte haben sich viele Künstler, darunter Herbert Grönemeyer und Nena, am Abendlied versucht. Doch von einem grossen Chor gesungen, wie bei der Trauerfeier von Schmidt 2015 in der Hamburger St. Michaelis-Kirche, berührt es mich am meisten.

 

Die Welttraumforscher: This Is Neil Armstrong (Text von Felix Reich)

Eigentlich machen die Welttraumforscher keine Mondmusik. Christian Pfluger, der vor 40 Jahren damit begann, Kassetten mit fantastischen Liedern zu füllen, befasst sich lieber mit den Träumen als mit dem All. Und doch berühren sich beide, verschwimmen vielleicht sogar. Zum Beispiel, wenn sich in seinem minimalistischen Song «This Is Neil Armstrong» der erste Mann auf dem Mond zu Wort meldet.

Offenbar ist er dort hängengeblieben. 20 Jahre oder mehr. Denn der Mond ist mehr als ein Trabant. Er ist eine Sehnsucht. Ob bei Matthias Claudius oder bei Christian Pfluger. Der Zürcher hat ein weitverzweigtes Werk geschaffen, das zwar von Yello oder Mouse on Mars verehrt und mit Remixes geehrt wurde, insgesamt aber ein vielleicht selbstgewähltes Schattendasein fristete.

Im letzten Jahr ist nun eine sorgsam kuratierte Werkschau erschienen, auf der sich das Universum aus Musik und Zeichnungen neu entdecken lässt. Darin ist «Sideria» nicht nur ein Albumtitel, sondern auch ein fiktiver Planet, für den Pfluger eine eigene Schrift, einen Reiseführer und eine Landkarte schuf. Und so verwundert es nicht, dass auch im repetitiven Singsang von «This Is Neil Armstrong» der erste Mann auf dem Mond zusehends mit dem Mann im Mond zu verschmelzen scheint, der ins All des Welttraums blickt, in dem die Assoziationen leuchtend vorbeiziehen wie Sternschnuppen.

 

Stiller Has: All-Has (Text von Marius Schären)

Wenn jemand auf die Idee kommt, den Mond als «schwarze Warze» zu bezeichnen, muss es eigentlich fast Endo Anaconda sein (bürgerlich Andreas Flückiger, 1955 – 2022). Wer sonst?

Auf dem phantastischen Album «Moudi» von 1996 räkelt sich über fast acht Minuten der Song «All-Has» in den Ohren – unterbrochen von einer kurzen Telefonbeantworter-Aufnahme, in der ein völlig entnervter Beat «Bädu» Anliker (das ebenfalls nicht mehr lebende Thuner Original und ehemals Chef des Lokals Café Mokka) nörgelt, er müsse sofort unbedingt Fotos haben, um den «Gig» zu bewerben, der nächstens stattfinden würde.

Anacondas Stimme selbst mäandert mit minimalistischen Gitarren-, Mandoline- und Kontrabassklängen zusammen zwischen Sprechen, Rufen und Singen, scheint sich aus purer Freude am Text und an Kalauern von Zeile zu Zeile zu hangeln, die trotzdem wie gedrechselt wirken, bis sich der oh so verloren entschwebende Has, statt im schwarzen Nichts dünn wie eine Spaghetti zu verschwinden, just nach dem Einwurf von Bädu Anliker mit seinem banal wichtigen irdischen Problem eines Besseren zu besinnen scheint und wieder dicker und dicker wird, bis er wieder da ist.

Bei uns auf der Erde.
Am Toaster und am Schoko-Osterhasi.

Wer will, kann sich einfach dem «hueren All» hingeben, das überall ist, und mit den Worten und Klängen des Stillen Hasen durch andere Sphären schweben. Und wer will, kann sich selbst einen Sinn darin suchen.

Eine Variante: Fliegen wir nicht wie der All-Has «wiene Gagu verloren im All» oder «nur blöd im Vakuum rum» wie der Mond, die schwarze Warze.
Bleiben wir auf dem Boden. Kümmern wir uns hier. Das ist genug.

Auf der Website von Stiller Has gibt es den Songtext.

 

Xavier Rudd: Edge of the moon (Text von Mayk Wendt)

Für den von den australischen Aborigines abstammenden Singer-Songwriter ist der Mond ein wichtiges Element in seiner Musik. In den Augen der Ureinwohner hat ihnen der Mond nämlich zwei wichtige Geschenke gebracht. Die Fruchtbarkeit und die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. In den meisten Legende der Aborigines ist der Mond männlich und die Sonne weiblich.

Ich mag die Mischung von rockigem und wieder fast schon lieblichen Klängen des Liedes. Der Song ist durch die Slidegitarre, gemeinsamen Gesang von Kindern und einem Frauenchor sehr vielseitig. Ich durfte selbst einige Monate in Australien verbringen und habe die tiefe Verbundenheit der Menschen dort mit Sonne, Mond, der Erde und alles was sie umgibt erlebt. Der Respekt gegenüber der Natur, der Versuch, mit der Umgebung im Einklang zu leben, vor allem von den Aborigines, beeindruckt mich sehr.