Was löst der Anblick des Vollmondes in Ihnen aus?
Bernd Brunner: Ich wohne ja abwechselnd in Berlin und Istanbul. Bei klarem Himmel ist der Anblick des Mondes über dem Bosporus jedes Mal gewaltig. Er erscheint riesig. Wenn ich ihn anschaue, spüre ich die Ewigkeit. Viele Mythologien zeugen ja von den überwältigenden Empfindungen, welche die Schönheit des Vollmondes hervorrufen kann. Er bildete auch die Kulisse für sakrale Ereignisse: Krönungen und Ritualtänze, Hochzeiten zwischen Göttern und Göttinnen.
Die türkische Fahne zeigt eine Mondsichel – wie die Flaggen anderer muslimischer Länder auch. Was hat es damit auf sich?
Muslimische Gemeinschaften orientieren sich am Mondkalender, und dieser richtet sich nach den Mondphasen: Ein Monat entspricht dem Zeitraum zwischen zwei Neumonden. Der Fastenmonat Ramadan beginnt traditionell mit der Sichtung der neuen Mondsichel des 9. Monats. Und was die Flaggen betrifft: Die Mondsichel, die einen Stern umschliesst, war zunächst nur das Zeichen für das Osmanische Reich. Erst im Lauf der Zeit fand sie auch Eingang in die Flaggen weiterer muslimisch geprägter Länder.
Im Buch «Mond und Mensch» haben Sie die Beziehung des Menschen zum Mond durch die Jahrhunderte aufgezeichnet. Was interessiert Sie an dem Thema?
Faszinierend am Mond finde ich seine Symbolik: Er hat eine helle und eine düstere Seite. Damit eignet er sich als Metapher für Gegensätzliches und auch als Projektionsfläche sehr gut. Viel verrückter Irrglaube rund um den Mond hat damit zu tun. Mich interessieren diese seltsamen, kuriosen und überholten Vorstellungen rund um unseren nächsten Himmelskörper.