Schwerpunkt 25. Oktober 2023, von Mirjam Messerli

Das Unservater in der ökologischen Variante

Ökospiritualität

Die «Christ:innen für Klimaschutz» luden ein – und Hunderte kamen zum «Klimagebet». Es soll Mut machen und helfen, angesichts der Klimakrise nicht zu erstarren, sondern zu handeln.

Das Unservater lässt sich auch in einer ökologischen Variante beten. In der Berner Heiliggeistkirche versuchen sich die Besucherinnen und Besucher des «Klimagebets» an dieser für die meisten ungewohnten Form: Zwischen den überlieferten Zeilen werden aktuelle Denkanstösse eingefügt.

In einem der Texte erwähnt die Vorbeterin Menschen, die Hunger leiden, und ruft auf zum Teilen und Helfen – es beten alle: «Unser tägliches Brot gib uns heute.» Ein weiterer Text erinnert daran, dass wir in der Wohlstandswelt zu viele Ressourcen verbrauchen und dabei Schuld auf uns laden: «Vergib uns unsere Schuld.»

Die Öko-Ökumene

Beten für eine gerechtere Welt, für die Tiere und die Natur, auch für den Schutz des Klimas – dazu haben, vor der grossen nationalen Klimademo in Bern, die «Christ:innen für Klimaschutz» eingeladen. Die Organisationsgruppe besteht aus Mitgliedern von Kirchen und kirchlichen Organisationen. Das ist  die «Öko-Ökumene», wie es auf einem Flyer formuliert ist.

Hilft Beten dem Klima, das augenfällig und spürbar aus dem Lot geraten ist? An diesem 30. September scheint die Sonne vom wolkenlosen Himmel, es ist 26 Grad heiss. Auch in den nächsten Tagen soll dieser Herbst sommerlich bleiben.

Wenn wir zusammen beten, gewinnen wir Mut. Wenn wir mutig sind, erstarren wir nicht vor dem Problem, sondern wir kommen ins Handeln.
Lukas Gerber, OK des «Klimagebets» und engagiert beim Eco Church Network

«Ja, gemeinsam fürs Klima und die Umwelt beten hilft.» Das sagt Lukas Gerber vom OK des «Klimagebets» und engagiert beim Eco Church Network. «Wenn wir zusammen beten, gewinnen wir Mut. Wenn wir mutig sind, erstarren wir nicht vor dem Problem, sondern wir kommen ins Handeln», sagt er.

Die Sorge um das Klima vereint in diesem Gottesdienst Generationen. Kinder sind mit ihren Grosseltern gekommen, junge Klimaaktivistinnen deponieren ihre Schilder für die anschliessende Demo zwischen den Kirchenbänken. «Der Wal hat keine Wahl. Wir schon!», steht auf einem. «This is a global warning», ist auf einem anderen zu lesen.

Die Kraft der Natur

Es wird laut in der Heiliggeistkirche. Die Leute sollen sich austauschen. Wo in eurem Leben spürt ihr die Kraft der Natur und der Schöpfung, so lautet die Frage, die nun diskutiert werden darf.

«Auf unserem Pausenplatz», sagt Lisa Näf und lacht. Die 27-Jährige ist Primarlehrerin und aus Bülach angereist. «Wir wollen das Schulhausareal naturnaher gestalten und haben darum den Pausenplatz und einige Flachdächer von Beton befreit.» Jetzt spriesse und wachse es dort, Insekten kämen zurück, dazu andere kleine Tiere. Lisa Näf will danach auch an der Demo mitlaufen. Zehntausende werden es ihr gleichtun.

Bei gesellschaftlichen Themen wie der Klimakrise hilft es, wenn sich Christinnen und Christen gemeinsam engagieren.
Roland von Däniken, Teilnehmer am «Klimagebet»

Auch der 52-jährige Roland von Däniken ist an das «Klimagebet» gekommen. Er ist Katholik, aktiv in seiner Kirchgemeinde und lobt den ökumenischen Ansatz der Feier: «Bei gesellschaftlichen Themen wie der Klimakrise hilft es, wenn sich Christinnen und Christen gemeinsam engagieren.»

Er ist beruflich im Bauwesen tätig und versucht im Alltag, das Klima zu schützen. «Wir haben beispielsweise kein Auto», sagt der Vater dreier Kinder.

Nicht mit so vielen Leuten gerechnet

Manche Gottesdienstgäste halten gelbe Arnikablumen in den Händen. «Leider hat es nicht für alle gereicht. Wir haben nicht mit so vielen Leuten gerechnet», sagt Susanne Schneeberger von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn.

Gemeinsam wird zum Abschluss des Gottesdienstes und zum Auszug aus der Kirche ein Lied gesungen, das die gewonnene Kraft zeigen soll: «Move when the spirit says move», so erklingt es kraftvoll aus zahlreichen Kehlen.

Die 23-jährige Rachel aus Bern wird nun mit Kolleginnen an die Demo gehen. Sie findet es wichtig, dass in der Debatte über die Klimakrise die christliche Perspektive eingebracht wird. Hilft Beten gegen den Klimawandel? Rachel nickt: «Aus meiner Sicht hilft es, weil die Gemeinschaft beim Beten eine Kraft entwickelt. Diese Kraft brauchen wir, um endlich etwas gegen die Klimaerwärmung zu tun.»