Frau Pattel-Gray, wie sind Sie heute in den Tag gestartet?
Anne Pattel-Gray: Das Erste, was ich nach dem Aufstehen gemacht habe, war, dem Schöpfer zu danken. Ich lebe auf einem grossen Grundstück. Morgens sitze ich jeweils hinter dem Haus mit all den Bäumen und lege meinen Geist in die Hände des Schöpfers, auf dass er mich segnet und mich das tun lässt, was für diesen Tag bestimmt ist.
Was verstehen Sie unter Ökospiritualität?
Meistens verwenden wir Menschen aus den First Nations – das heisst wir Ureinwohnerinnen und Ureinwohner – den Begriff Spiritualität, um unsere Beziehung zum Land, in dem wir leben, auszudrücken. Wir glauben, dass uns der Schöpfer genau jenes Stück Land gegeben hat, in dem wir zu Hause sind. Wir empfinden Verantwortung, uns um die Schöpfung zu kümmern, sie zu respektieren, zu feiern. Tiere, wie etwa Vögel, sind Lehrmeister für uns.
Was können uns Vögel lehren?
Nehmen wir die Geschichte der Krähe. Wir kennen sie als hässlichen Vogel, der krächzt. In unserer Schöpfungsgeschichte war die Krähe einst ein wunderschöner bunter Vogel mit klangvoller Stimme. Seine Gaben machten ihn arrogant und selbstbezogen. Eines Tages kam ein anderer Vogel auf die schöne Krähe zu, erbat Nahrung und wollte auch so attraktiv sein. Die Krähe wollte aber weder ihre Schönheit noch ihr Futter teilen. Da machte der Schöpfer die Krähe schwarz und verlieh ihr eine krächzende Stimme. Die Lehre daraus: Immer, wenn wir eine Krähe sehen, sollen wir daran denken, bescheiden und demütig zu sein und zu teilen.