Einen harten Schnitt oder ein Abkommen? Die Frage, wie Grossbritannien den Austritt aus der EU vollziehen soll, schüttelt die Regierung in London durch. Premierministerin Theresa May konnte ihr Kabinett zwar für ihren Kurs gewinnen, der Zugeständnisse gegenüber Brüssel vorsieht, doch die Hardliner David Davis und Boris Johnson traten zurück.
Für Nordirland ist die Frage existenziell, wie das Vereinigte Königreich sein Verhältnis zur EU regelt. Noch immer prägt die innere Grenze zwischen krontreuen Protestanten und nach Irland orientierten Katholiken den Landesteil. Ohne Vertrag mit der EU droht die harte Aussengrenze zu Irland, mit dem Nordirland wirtschaftlich eng verflochten ist.
Nordirland hat viel zu verlieren und ist blockiert, weil sich die presbyterianisch geprägte DUP und die katholische Sinn-Féin-Partei seit dem Patt nach den Wahlen 2017 nicht auf eine Regierung einigen können. London musste die Kontrolle übernehmen. Natürlich verläuft auch die Grenze zwischen Brexit-Gegnern und Befürwortern eines Alleingangs entlang der gewohnten Gräben: Während Sinn-Féin den Austritt aus der EU ablehnte, warb DUP für ein Ja, obwohl viele Bauern von den Subventionen aus Brüssel profitieren und protestantisch wählen. 56 Prozent der Nordiren stimmten gegen den Brexit. Zuletzt flammte der Konflikt wieder auf. In Londonderry kam es zu schweren Unruhen, in Newtownards überfielen maskierte Männer einen Bus.
Die «reformiert.»-Redaktorin Nicola Mohler besuchte im Juni auf ihrer Reise durch Nordirland Menschen, welche die Spaltung überwinden wollen: in der Schule, in der Politik und in der Kirche. Der nordirische Politologe Duncan Morrow spricht zwar von einem «kolonialen Konflikt», der die Religion höchstens instrumentalisiere. Gleichwohl setzen die Kirchen lieber auf Abgrenzung statt auf ökumenische Freundschaft. In Belfast und Ballycastle traf Nicola Mohler jedoch Theologen beider Konfessionen, die unermüdlich Versöhnungsarbeit leisten. Mit einem Kulturfestival oder dem Alten Testament.