Herr Frommelt, Sie haben 1960, als 27-Jähriger, mit dem Holzschnittzyklus «Die Apokalypse» begonnen. Wie kommt ein junger Mann auf das endzeitliche Thema?
Martin Frommelt: Die Apokalypse des Johannes war bei meiner dreijährigen Grundausbildung im Kunstatelier meines Onkels auch schon ein Thema. Dieser Onkel, Kanonikus Anton Frommelt, war Priester und Politiker, mit zahlreichen weiteren Interessensgebieten. Während des Zweiten Weltkriegs war er in Liechtenstein Landtagspräsident und entscheidend daran beteiligt, dass die Nationalsozialisten das Land nicht übernehmen konnten. Nach dem Krieg baute er sich ein Atelier und widmete sich fortan hauptberuflich der Kunst. Ich hatte zu diesem Onkel eine enge Beziehung; von ihm bin ich bereits als Jüngling sowohl künstlerisch als auch theologisch geschult und mitgeprägt worden.
Gab es noch weitere theologische Impulse?
Ja, die gab es. Traditionell beteiligte sich die Académie des Beaux-Arts in Paris, an der ich in den 1950er-Jahren studierte, an der jährlichen Wallfahrt nach Chartres. Die «Beaux-Arts» ist dabei jeweils 100 Kilometer marschiert. In den Gruppen wurde unterwegs viel diskutiert und theologisiert, auf sehr offene Art. An diesen Gesprächen beteiligten sich Angehörige verschiedener Konfessionen, hinzu kamen Atheisten und Kommunisten. Ich erlebte den Austausch immer als sehr anregend und bereichernd.
Was aber gab den Ausschlag, dass Sie als erstes Ihrer grossen Werke ausgerechnet die Apokalypse in Angriff nahmen?
Das hat eine Vorgeschichte. Nach meiner Ausbildung in Paris kehrte ich ins Fürstentum Liechtenstein zurück, um hier, in meiner Heimat, im eigenen Atelier als Künstler zu wirken. Zum Start meiner Karriere beteiligte ich mich an einem Wettbewerb; die Kirche in Vaduz sollte neue Glasfenster bekommen. Ich kniete mich intensiv in diese Aufgabe hinein und lieferte zusammen mit Mitbewerbern meine Entwürfe ab. Antwort bekam ich aber keine. Als ich mich erkundigte, sagte der Gemeindevorsteher: «Ich weiss, ich schulde dir noch eine Antwort, aber ich schäme mich.»