Am 22. Februar sprach Mark Mexha die Drohung aus, die er 25 Jahre erfolgreich unterdrückt hatte. Der 82-Jährige sass mit einem grauen Cap auf dem Kopf in der beliebten Talkshow «Shqipëria Live» von Top Channel. Vor den Kameras des grössten Fernsehsenders von Albanien sagte er, dass ihm die Geduld ausgehe. 1997 war sein Neffe erschossen worden, es folgten zermürbende Jahre, in denen er vom Täter, dessen Familie und der Justiz betrogen wurde. Mexha sagte: «Stets habe ich versucht, die Sache friedlich zu lösen. Es ist nicht gelungen. Vielleicht muss ich es nun auf meine Art zu Ende bringen.»
Jeder albanische Zuschauer wusste in jenem Moment, was der bedachtsam sprechende Herr damit meinte: Er erwog Blutrache. Die beiden Moderatoren nickten, sie hatten keine Fragen mehr und bedankten sich für das Gespräch.
In den Tagen danach erschienen unter der Aufzeichnung der Show auf Youtube lauter zustimmende Kommentare. «Blut wird mit Blut gewaschen, nicht mit Gefängnis!», schrieb einer, «Respekt für diesen weisen Mann!», ein anderer. Eine indirekte Morddrohung erntet in Albanien im Jahr 2022 Applaus.
Nicht Gott spielen
«Ich wollte nie an diesen Punkt gelangen», sagt Mark Mexha drei Monate nach seinem Fernsehauftritt. In einer Bundfaltenhose und einem frisch gebügelten Hemd sitzt er aufrecht auf dem Sofa seines Wohnzimmers. Er wirkt müde. Hier, in einem leuchtend gelben Haus am Stadtrand von Tirana, lebt er mit seiner Frau, einer Tochter und deren Familie. Seine vier anderen Kinder wohnen im Ausland.