Meinung 27. September 2022, von Mirjam Messerli

Schöne Worte sind ein guter Anfang

Ökumene

Die Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen machte die Kraft der Kirchen erlebbar. Den begeisternden Schwung gilt es nun zu nutzen. Insbesondere in den Kirchgemeinden.

Nein, grosse Schritte zu Versöhnung und Frieden gelangen am Welt-Ökumene-Gipfel in Karlsruhe nicht. So distanzierte sich die russisch-orthodoxe Kirche nicht von der kriegerischen Politik Putins, immerhin widersetzte sie sich nicht der Erklärung, die den Krieg in der Ukraine verurteilte. Auch beim Klimaschutz appellierten die Kirchen lediglich an die Staaten­gemeinschaft, zur «Heilung des Planeten» beizutragen. 

Bleibt also vom Megaevent nichts als schöne Worte? Mag sein. Aber Worte sind immerhin ein Anfang. Die Vollversammlung hat mit ihren Debatten und Resolutionen den Grundstein für die Arbeit der Kirchen in aller Welt gelegt. Und was mindestens so wichtig ist: Sie machte die Kirchengemeinschaft sichtbar, deren Vitalität erlebbar.

Die schlummernde Kraft

Das ökumenische Treffen in Karlsruhe gibt Hoffnung – nicht zuletzt für die Zukunft der Kirche selbst: An Gottesdiensten, in Workshops und bei gemeinsamen Mahlzeiten wurde die Kraft spürbar, die überall auf der Welt in den Kirchgemeinden steckt.

Eine Kraft, die in Europa in vielen Ländern eher schlummert, aber ausserhalb – zum Beispiel in asiatischen Ländern – wächst. Diese Kraft müssen die Gemeinden nun einsetzen, um den Worten Taten folgen zu lassen. Dies nicht zuletzt in der Schweiz, wo die Kirche im Vergleich zu anderen Ländern die nötige Freiheit und die Mittel dazu hat. Insbesondere beim Klimaschutz gilt es, Verantwortung wahrzunehmen. Das Thema mobilisiert zudem Jugendliche und jüngere Menschen, die der Kirche oft fehlen.

Privilegien verpflichten

In Karlsruhe war es zu sehen, zu hören und zu spüren: Die weltweite Kirche lebt. Sie ist vielfältig und bunt, laut und mitreissend. Sie kann Einfluss nehmen auf das Leben und Verhalten der Menschen. Keine Vollversammlung wird in der Welt etwas zum Guten bewegen, all die Mitglieder der Kirchgemeinden, die sich vom Geist bewegen lassen, hingegen schon.