Recherche 26. September 2022, von Constanze Broelemann

Kampf gegen Klimawandel eint die Kirchen

Ökumene

Die Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen ringt um Erklärungen zum Ukrainekrieg und Palästinakonflikt. Einigkeit herrscht hingegen, wenn es um die Klimapolitik geht.

Ertrinken würden sie nicht, erklärt Paula Tuilagivou. «Wir kämpfen.» Der 23-Jährige lebt auf den Fidschi-Inseln im Pazifischen Ozean. Mit anderen jungen Christen aus aller Welt demonstrierte er an der elften Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe für Klimagerechtigkeit.

Tuilagivou ist Vertreter der pazifischen Kirchenkonferenz. Der Indigene gehört zu jenen Menschen, welche die Folgen des Klimawandels existenziell spüren. «Der Meeresspiegel steigt stetig, viele Angehörige meines Volks müssen in höhere Lagen umgesiedelt werden und verlieren ihre Lebensgrundlage», erzählt der Ökonomie-Student in einer Verhandlungspause.

Noch bleibt Zeit zur Umkehr

Die Ökologie hat in den Resolutionen, welche die Vollversammlung als oberstes Gremium des ÖRK verabschiedete, ein grosses Gewicht. Im Schlussappell steht die Forderung, dass Politik und Gesellschaft dem Klimanotstand «in Wort und Tat oberste Priorität einräumen». Zudem seien «grössere Solidarität und Gerechtigkeit» nötig mit Menschen, die stark unter den Auswirkungen des Klimawandels litten. Die Delegierten, die vom 31. August bis zum 8. September tagten, fordern den schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien und das Menschenrecht auf eine intakte Umwelt.

An der Ausarbeitung der Erklärung beteiligt war Sarah Bach. Für die 29-jährige Pfarrerin der methodistischen Kirche in Schwarzenburg ist der Klimanotstand das zentrale Anliegen ihrer Generation. «Noch haben wir Zeit, unser Verhalten zu ändern.» Der ÖRK hatte seine 352 Mitgliedskirchen gebeten, junge Delegierte zu entsenden.

Im Eiltempo ausgearbeitet

Pazifismus auf der ProbeDie Resolutionen, welche die Versammlung jeweils im Konsensverfahren verabschiedete, werden nun vom Zentralausschuss weiterbearbeitet. Dieser leitet die Organisation bis zur nächsten Versammlung in acht Jahren. Geleitet wird er vom früheren Präsidenten der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Heinrich Bedford-Strohm. Ebenfalls in den Ausschuss gewählt wurde Serge Fornerod, Leiter Aussenbeziehungen bei der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS). Einige der über 40 Dokumente seien im Eiltempo verabschiedet worden, sagt er. «Da bedarf es einer sorgfältigen Nachlese.»

Noch nicht finalisiert seien etwa die Stellungnahmen der Konferenz zum Krieg in der Ukraine. Während die russisch-orthodoxe Kirche als Mitglied stimmberechtigte Delegierte nach Karlsruhe schickte, bekam die ukra­inisch-orthodoxe Kirche, die sich 2019 endgültig vom Moskauer Patriarchat losgelöst hatte, Gaststatus. Der ÖRK verurteilte den russischen Angriff klar: Krieg sei mit dem Wesen Gottes nicht vereinbar.

Pazifismus auf der Probe

«Dennoch anerkennen wir, dass es ein Recht auf Selbstverteidigung geben muss», sagt Sarah Bach. Die Situation in der Ukraine entziehe sich «der vereinfachenden Frage, ob man für oder gegen den Krieg ist».

Aufgabe des ÖRK sei, wo möglich für gewaltfreie Lösungen einzustehen, Hilfe zu leisten und den Unterdrückten Gehör zu verschaffen, sagt die Theologin. «Wir massen uns nicht an, zu wissen, was die richtige politische Lösung in diesem Krieg ist.»Nicht nur in der Debatte über den Krieg in der Ukraine taten sich Konfliktlinien zwischen den Kirchen auf.

Den Dialog nicht gefährden

Auch der Konflikt zwischen Israel und Palästina wird unterschiedlich beurteilt. Auslöser für eine Stellungnahme war die Forderung der südafrikanischen Delegation, Israel als Apartheidstaat zu bezeichnen. Die Versammlung lehnte diese Verurteilung jedoch ab. Insbesondere die deutsche Delegation wehrte sich erfolgreich dagegen. «Die Resolutionen beschreiben die Situation, ohne den jüdisch-christlichen Dialog zu gefährden», sagt Bach.

Zufrieden mit der Positionierung zeigt sich Fornerod. Er kenne keine Christen, die das Existenzrecht Israels bestritten. Nur ein Ende der Besatzung und eine gerechte Friedenslösung könnten die Sicherheit der palästinensischen und der israelischen Bevölkerung garantieren, umschreibt er die Haltung der EKS.

Im Einklang mit EKS-Positionen

Die eigenen Ziele bestätigtKonkrete Auswirkungen auf die Agenda der EKS haben die Resolutionen nicht. Laut Fornerod hat sie bereits eigene Klimaziele formuliert, Programme seien aufgesetzt.

«In der Schweiz sind wir privilegiert und spüren die Auswirkungen des Klimawandels noch kaum», sagt Bach. Der pazifische Inselstaat Kiribati hingegen rief wegen des steigenden Meeresspiegels den Notstand aus.