Die Regierung entschuldigt sich für die Gräuel von einst

Täufer

Im Kanton Bern wurden die Täufer einst streng verfolgt. Die Regierung hat sich dafür jetzt entschuldigt.

Im Zuge der Reformation, die im Stadtstaat Bern 1528 umgesetzt wurde, bildete sich eine Glaubensgemeinschaft heraus, die unter anderem die Kindertaufe ablehnte. Diese sogenannten «Täufer» wurden von der Amtskirche und der weltlichen Regierung während Jahrhunderten verfolgt (siehe Kasten). 

Im 18. Jahrhundert, im Zuge der Aufklärung, entspannte sich das Verhältnis zwischen Staat und Täufern nach und nach, doch eine offizielle Entschuldigung ist die Obrigkeit den gewaltlosen Gläubigen schuldig geblieben.

Verfolgt, eingekerkert und hingerichtet

Die Reformation begann in der Eidgenossenschaft ab 1522. Nebst den staatstragenden Amtskirchen entstanden dabei auch Gemeinschaften, die den neuen, evangelischen Glauben besonders konsequent lebten. Sie propagierten eine vom Staat losgelöste Kirche, verweigerten der Obrigkeit den Treueschwur und liessen sich auch nicht als Soldaten rekrutieren. Zudem lehnten sie die Kindertaufe ab; die Taufe habe im Erwachsenenalter als Zeichen einer bewussten Hinwendung zum Glauben zu erfolgen. Deshalb nannte und nennt man Angehörige dieser Bewegung «Täufer». Aufgrund ihrer Distanz zur weltlichen Obrigkeit wurden sie einst als Staatsfeinde verfolgt, gefangengesetzt, des Landes verwiesen oder hingerichtet. Besonders streng verfolgte man die Täufer in der alten Republik Bern.

Dieses Versäumnis hat der kantonale Kirchendirektor Christoph Neuhaus jetzt nachgeholt, an einer Zusammenkunft im Berner Rathaus an der Nacht der Religionen. «Der Anlass stand unter dem Motto ‹Versöhnung›; als ich mich auf meinen Auftritt vorbereitete, stellte ich fest: Die reformierte Berner Landeskirche hat sich im Täuferjahr 2007 entschuldigt, nicht aber die Berner Regierung», führt Neuhaus gegenüber «reformiert.» aus. Deshalb habe er die Gelegenheit genutzt, dies nun auch im Namen der weltlichen Obrigkeit zu tun.

Sehen, was gewesen ist

«Wir sieben Regierungsrätinnen und -räte geben täglich unser Bestes für die Bevölkerung unseres Kantons, und doch trefen auch wir manchmal Entscheidungen, die sich im Rückblick als Fehler erweisen», sagte Neuhaus an der Nacht der Religionen. Und fragte rhetorisch: «Wie könnten Sie und ich leben, wenn es die Bitte um Vergebung nicht gäbe?» 

Gemäss dem Gebet «Unser Vater» bitte er die heutigen Täufergemeinden – «als Berner Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor, aber auch als Mensch – in aller Schlichtheit um Verzeihung für all das, was den Täuferinnen und Täufern in unserem Kanton zu Leide getan wurde». Kein Mensch könne rückgängig machen, waseinmal geschehen sei. «Aber wir können sehen, was gewesen ist, es aufnehmen statt zu verdrängen.»

Ich bitte – auch als Mensch – in aller Schlichtheit um Vergebung.
Christoph Neuhaus Regierungsrat

Im Kanton Bern habe bisher noch kein Politiker das geschehene Unrecht dermassen deutlich anerkannt, resumiert Dorothea Loosli von der Mennonitengemeinde Bern. Es sei «emotionaler und tief berührender Moment» gewesen. Die Anwesenden hätten diese Worte dankbar entgegengenommen. 

Gläubige mit mennonitischem Hintergrund seien sich ihrer leidvollen Geschichte nach wie vor bewusst, und vorab die ältere Generation habe noch vor wenigen Jahrzehnten deutlich zu spüren bekommen, dass man sie als «Frömmler» ausgrenze. Vor diesem Hintergrund sei die Entschuldigung von Regierungsrat Christoph Neuhaus ein starkes Zeichen, das deutlich mache: «Wir sind mit unserer Haltung heute akzeptiert.»

Erhobenen Hauptes

Nach der Zusammenkunft im Rathaus begaben sich die anwesenden Mitglieder der Berner Münstergemeinde und der örtlichen Mennonitengemeinde in die Nydeggkirche, um gemeinsam zu singen. Da habe, berichtet Dorothea Loosli, ein älterer Mennonit spontan zu ihr gesagt: Erstmals gehe er erhobenen Hauptes in ein landeskirchliches Gotteshaus; vorher habe er dabei immer gemischte Gefühle gehabt.

Die Konferenz der Mennoniten der Schweiz hat vor, die obrigkeitliche Bitte um Vergebung auch noch ofziell zu würdigen. Dies wird aller Voraussicht nach bei der Eröfnung des geplanten Täufer-Stationenweges im kommenden Frühjahr geschehen.