Erwachsene taufen und das Böse meiden

Täufer

Das erste Glaubensbekenntnis der Taufgesinnten entstand im Kanton Schaffhausen. Bis heute berufen sich die Mennoniten darauf.

Im Ortsmuseum des kleinen Dorfes Schleitheim im Kanton Schaffhausen zieht ein handflächengrosses Büchlein jährlich Hunderte von Besucherinnen und Besuchern aus aller Welt an. Bei diesem Schriftstück handelt es sich um die sogenannten Schleitheimer Artikel, die Bekenntnisschrift des Täufertums. 

Zugleich gelten diese Artikel als Gründungsurkunde des protestantischen Freikirchentums. Das Buch im Museum Schleitheimertal ist eines von nur vier erhaltenen Originalexemplaren und das einzige öffentlich zugängliche. 

Verfasst wurden die Schleitheimer Artikel, zwei Jahre nachdem der Zürcher Rat die Ausrottung der Täufer beschlossen hatte. Am 24. Februar 1527 fand an einem geheimen Ort in Schleitheim die erste Täufersynode statt, an der über den weiteren Kurs der Bewegung beraten und die Artikel beschlossen und niedergeschrieben wurden. 

Akt der Abgrenzung 

Federführend war Michael Sattler, ein zum Täufertum übergetretener Benediktinermönch und Prior des Klosters St. Peter im Schwarzwald. Sein Ziel war es, die Lehren und Auffassungen der Täuferbewegung zu vereinheitlichen. Einerseits, um der damals noch jungen Bewegung und ihren neu gegründeten, unabhängigen Gemeinden eine gemeinsame theologische Richtung zu geben. Und andererseits jedoch auch, um sich gegenüber – wie es in der Schrift heisst – «falschen Brüdern und Schwestern» abzugrenzen. 

Der erste der insgesamt sieben Artikel definiert, was unter der Taufe zu verstehen sei. Das Sakrament wird als Glaubenstaufe an Erwachsenen vollzogen, «die über die Busse und Änderung des Lebens belehrt worden sind» und an die Auferstehung und die Vergebung der Sünden durch Jesus Christus glauben. Die Kindertaufe wird abgelehnt. 

Gläubige Museumsgäste betrachten das Buch mit Ehrfurcht.
Peter Müller, Leiter Museum Schleitheimertal

Der zweite Artikel schreibt vor, dass fehlbare Gemeindemitglieder nach zweimaliger heimlicher Mahnung vor der ganzen Gemeinde zurechtgewiesen oder allenfalls von ihr ausgeschlossen werden. 

Im dritten Artikel werden die Bedingungen formuliert, unter denen eine Person am Abendmahl teilhaben darf. Das sind die christliche Taufe und die Absonderung vor dem «Bösen und dem Argen». Auf die Absonderung geht der vierte Artikel ein, der besagt, dass sich die Gläubigen «von jeder Einrichtung und Person zu scheiden» hätten, «die nicht wahrhaft christlich ist». 

Die fünfte Regelung betrifft die Führung der Gemeinde. Ihr soll als «Hirte» ein Mann mit gutem Leumund vorstehen. Für seinen Lebensunterhalt hat die Gemeinde zu sorgen. Der sechste Artikel untersagt es den Gemeindemitgliedern, Waffen zu tragen und Kriegsdienst zu leisten, und der siebte, zu schwören und Eide abzulegen. 

Hals über Kopf ersteigert 

Trotz der Bedeutung Schleitheims für die Geschichte der Täufer gab es im Ort lange kein greifbares historisches Erbe, das auf sie hinwies. 2001 stiess der damalige Museumsleiter Willi Bärchtold per Zufall in einem Auktionskatalog auf das Buch, das sich heute im Besitz des Museums befindet. In einer Hals-über-Kopf-Aktion und mit Unterstützung Dritter konnte das Museum das Stück damals ersteigern. Um das Büchlein herum gestaltete das Museum schliesslich eine Ausstellung im sogenannten Täuferzimmer. 

Etwa die Hälfte des jährlichen Publikums komme wegen der Täufer ins Schleitheimer Museum, sagt der heutige Museumsleiter Peter Müller. Meistens seien es Mennoniten, vor allem aus den USA und Kanada. Aber auch aus Russland, der Ukraine, Korea, Japan und Deutschland seien letztes Jahr Gruppen angereist. Dieses Jahr rechnet Müller wegen des Jubiläums mit doppelt so vielen Besuchenden wie üblich.

Die Leute betrachteten das Buch jeweils mit Ehrfurcht, sagt Müller. «Die meisten der Besucherinnen und Besucher sind tiefgläubig. Oft singen und beten sie auch gemeinsam beim Besuch.»