Wann war die Stimme der Kirche im Rückblick besonders wichtig?
Nehmen wir die Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg. Der Bundesrat verfolgte eine harte Politik, die rassistische und antisemitische Züge hatte. Dagegen bezogen Pfarrer und die junge Kirche öffentlich Stellung. Das war damals heikel. Heute finden wir es mutig.
Gibt es eine Regel dafür, wann sich die Kirche äussern soll?
Zu Geschäften, bei denen die Macht des Stärkeren rücksichtslos ausgespielt wird. Oder wenn natürliche Ressourcen und damit die Lebensgrundlagen der nächsten Generation zerstört werden. Oder wenn fundamentale Rechte der Schutzlosen übergangen werden.
Dann macht die Kirche also alles richtig, wenn sie sich bei der Asylpolitik klar positioniert?
Ja, denn es gibt Menschen in der Kirche, die über das nötige Sachwissen verfügen, um Stellung zu beziehen. Aber Politik ist auch ein Kompromiss zwischen dem Wünschbaren und Machbaren. Wenn die Kirchenur ihre Ideale hochhält, die nicht umgesetzt werden können, oder die Linken den Rechten oder die Rechten den Linken ihr Christsein absprechen, ist das wenig hilfreich.
Auf der Kanzel fordern Sie politische Zurückhaltung. Wie sollen sich Kirchenleute Gehör verschaffen?
In der Kirche haben leitende Behörden linke und rechte Mitglieder. Das verpflichtet. Nicht zum Schweigen, aber dazu, Foren für gepflegte Debatten in unterschiedlichen Öffentlichkeiten anzubieten. Neben den Gottesdiensten in der Erwachsenen-bildung oder in Zeitungsartikeln, Denkschriften und Tagungen.
Was halten Sie davon, dass sich Kirchgemeinden ganz bewusst ein Profil geben, auch politisch?
Ich finde es gut, wenn ich weiss, ob eine Gemeinde liberal, konservativ oder sozial politisiert. Doch dann muss ich auch entscheiden können, ob ich dazugehören will, und frei sein, mich einer anderen Kirchgemeinde anzuschliessen.
Wann sollten Kirchen schweigen?
Wenn bei einer politischen Frage der Bezug zum Evangelium fehlt.
Ist die Bibel politisch?
Ja, von A bis Z, weil es um das gute Leben geht. Aber Christen beten auch: «Dein Reich komme». Sie vertrauen darauf, dass Gott im Regiment ist.