Verzicht einüben, um Lebensqualität zu gewinnen

Klimawandel

Der Bericht «Die Grenzen des Wachstums» war vor 50 Jahren ein Weckruf für die Debatte rund um Nachhaltigkeit. Theologen sind überzeugt, dass es jetzt höchste Zeit zum Handeln ist.

Am 2. März 1972 warnte der Club of Rome in seinem «Bericht zur Lage der Menschheit» eindringlich: «Jeder Tag Wachstum bringt uns näher an die endgültigen Grenzen dieses Wachstums. Die Entscheidung, nichts dagegen zu tun, ist ein Entscheid, den Kollaps zu riskieren.»

Untermauert wurden die Aussagen durch Modellrechnungen, die ein Team von hochkarätigen Wissenschaftlern mithilfe des Computerprogramms World3 am renommierten Massachusetts Insitute of Technology (MIT) angestellt hatte.

Die Balance finden

Der Forschungsgegenstand der Studie waren die aktuelle Situation der Menschheit und ihre Zukunft in den Bereichen Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Unterernährung, Rohstoffverbrauch und Zerstörung von Lebensraum. Das in Washington und St. Gallen präsentierte Kernergebnis lautete: Um das Überleben der Menschheit und einen für alle dauerhaft guten Lebensstandard zu sichern, sei ein Gleichgewichtszustand anstelle des dauerhaften Wachstums nötig.

Diese Balance sei nur mit völlig neuen Ansätzen, Visionen sowie politischem und moralischem Mut erreichbar. «Wir hoffen, dass diese Veröffentlichung dazu beiträgt, die notwendigen Kräfte zu mobilisieren», schrieben die Fachleute.

Der Bericht zählt mit 30 Millionen Exemplaren zu den meistverkauften Büchern weltweit, 1973 erhielt der Club of Rome dafür den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Er wirkt bis heute nach. «Der Bericht war ein Weckruf, der alarmierte und den Boden für die Nachhaltigkeitsdiskussion schuf», sagt Ralph Kunz. Der Professor für Praktische Theologie an der Universität Zürich engagiert sich für Debatten über Nachhaltigkeit und die Bewältigung der Klimakrise.

Business as usual führt zum Kollaps

An der Tagung «Christsein in der Klimakrise» in Winterthur im November warf Kunz die Frage auf, ob wir nicht zu lange zugewartet hätten, um auf die Vorschläge des Club of Rome zu reagieren. Ist es zu spät? «Klar ist, dass die Folgen des Klimawandels Realität sind: der Bevölkerungsdruck, die Flüchtlingskrisen, die durch Naturkatastrophen, Krieg um Wasser und andere Ressourcen verstärkt werden.»

In seinem Bericht hatte der Club of Rome Berechnungen für verschiedene Szenarien vorgelegt. Für die Variante «weiter wie bisher» sagten die Berechnungen voraus, dass der globale Wohlstand 2020 seinen Höhepunkt erreicht und zehn Jahre später zum Kollaps führt. Dass die berechneten Szenarien durchaus ihre Richtigkeit hatten, ist in der Folge immer wieder bestätigt worden. Zuletzt im Juli 2021 von der Harvard-Forscherin Gaya Herrington: Sie hat die Berechnungen von World3 mit den vorliegenden empirischen Daten verglichen und kam zum Schluss, dass die Vorhersagen erstaunlich exakt waren

Raus aus der Untätigkeit: Möglichkeiten zum Engagement

Klimafreundlich zu leben, ist nicht immer einfach. Und doch kann jeder und jede Einzelne einen kleinen Beitrag leisten, damit die Klimawende gelingt. Dabei helfen können die Klimagespräche, eine international praktizierte Methode, welche die Hilfswerke Heks und Fastenaktion in ihrer ökumenischen Kampagne anwenden. Teilnehmende der Kurse werden in einem Reflexionsprozess dazu ermutigt, ihren Lebenswandel und ihr Konsumverhalten kritisch zu hinterfragen und Potenzial für Verbesserungen auszumachen. Die Auseinandersetzung mit eigenen Widerständen und der Austausch in der Gruppe helfen dabei, Gefühle der Machtlosigkeit zu überwinden und Lösungen zu finden, die zu einer Reduzierung der individuellen CO2-Emissionen beitragen. 

Am 15.3. findet von 19.00-20.30 Uhr ein Online-Schnupperworkshop statt, wo Interessierte mehr über die Methode erfahren. Die mehrtägigen Klimagespräche finden in verschiedenen Regionen statt und starten immer wieder neu, auf sehen-und-handeln.ch findet sich eine tagesaktuelle Übersicht über die aktuellen Gespräche. Die Verantwortlichen hoffen, dass «wir nach einer Durststrecke wegen Corona nach Ostern wieder mit face-to-face-Klima-Gesprächen durchstarten können». HEKS und Fastenaktion wollen zudem auch mit der «Zukunftswerkstatt Wandel» einen Beitrag leisten zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft: «Die Zukunftswerkstatt gibt Anstösse für eine Transformation auf spiritueller, individueller, kultureller und politischer Ebene und motiviert Menschen dazu, selbst Teil der Lösung zu werden.»

Ein ähnliches Konzept verfolgt die christliche Nichtregierungsorganisation Stop Armut mit ihren Just-People-Kursen: Diese vermitteln Inputs zur Schöpfungsbewahrung und zeigen auf, wie globale Nächstenliebe besser gelebt werden kann. Ein Kursbuch gibt ferner Aufschluss darüber, was christliche Gruppen und Gemeinschaften konkret für das Klima tun können. Im Zentrum der Kust-People-Kurse steht die Frage: Sind wir «nur» Menschen oder «gerechte Menschen»? Verschiedene Elemente des Just People-Kursbuches wie beispielsweise die Wortkunst und Liturgie rahmen die Abende ein.

Die Christliche Klimaaktion will zudem mit einem Streik am 21. Mai auf die Anliegen des Klimaschutzes aufmerksam machen. Aktionen sollen auch in Kirchgemeinden stattfinden. Der Instagram-Kanal der Klimaaktion hält immer auf dem Laufenden.

Dynamik der Hoffnung

Zum Jubiläum verspricht der Club of Rome zwei neue «bahnbrechende Berichte», die den Weg in die Zukunft weisen sollen, sowie eine Reihe von Veranstaltungen, die zeigen, wie sich Menschen engagieren können. Die Co-Präsidentin Dixson-Declève sagt im Interview mit reformiert., das übergeordnete Ziel dabei sei: «Verständlich zu machen, dass wir innerhalb von natürlichen Wachstumsgrenzen leben müssen und welche alternativen Zukunftswege uns dafür offenstehen.»

Ralph Kunz denkt in eine ähnliche Richtung. «Was wir jetzt brauchen, ist das Einüben eines neuen Lebensstils, der Konsumverzicht mit einem Gewinn an Lebensqualität zu verbinden vermag.» Die Energie dafür komme aus der Hoffnung, sagt er im Interview. Die Hoffnung behält auch Kurt Zaugg-Ott, der Fachstellenleiter des Vereins Oeku Kirchen für die Umwelt. Im Gespräch mit reformiert. sagt er, er hoffe, die Dynamik der Transformation sei so wie der Klimawandel: «Einmal in Bewegung kaum zu stoppen.»