Schwerpunkt 07. Januar 2020, von Katharina Kilchenmann

«Es wäre Mord, uns nicht aufzutauen»

Ewig leben?

Klaus Sames lässt seinen Körper nach dem Tod einfrieren. So macht er sich bereit, ewig zu leben – in einer unbestimmten Zukunft.

Klaus Sames ist Wissenschaftler und Mediziner. Während Jahrzehnten forschte er über die Verlängerung des menschlichen Lebens. Seit seiner Pensionierung vor 15 Jahren hat er sich nun ganz und gar der Kryonik verschrieben. Und hat sich einen Platz in einem Edelstahltank im Cryonics Institute in Michigan USA gesichert.

Dort soll nach seinem Tod sein Körper aufbewahrt werden. Umhüllt von flüssigem Stickstoff bei einer Temperatur von Minus 196 Grad. In seinen Adern wird ein Frost­schutzmittel sein, das verhindert, dass Eiskristalle das Gewebe zerstören. Kopfüber hängend – im Falle eines technischen Defekts würden zuerst die Füsse auf­tauen –, wartet Klaus Sames dann darauf, dass er wiederbelebt wird.

Warten auf den Fortschritt

Wann das der Fall sein werde, spiele keine Rolle, meint der Wissenschaftler. Der tiefgekühlte Köper sei unbegrenzt unverändert haltbar. «Das kann in 200 oder 300 Jahren sein», sagt Sames. «Nämlich dann, wenn die technologische Entwicklung so weit ist, dass Zellen verändert und verjüngt werden können.»

Das ist essenziell, denn wer an einer Krankheit stirbt oder an Altersschwäche, wird nach dem Auf­­tauen aus der Vitrifizierung – seit einiger Zeit wird nicht mehr vereist, sondern verglast, eben vitrifiziert – genau so krank und alt sein wie vorher. «Die Entwicklung in der Wissenschaft wird niemals stillstehen. Irgendwann wird es Nanoroboter geben, die das menschliche Gewebe reparieren können», ist Sames überzeugt. Und diese Errungenschaft werde dann bei Aufgetauten angewendet.

Für solche Äusserungen erntet der Kryoniker nicht selten Kritik. Sames verweist jedoch auf die Reproduktionsmedizin: Es gehöre heute zum medizinischen Standard, dass Kinder aus tiefgefrorenen Embryonen entstehen. Auch sei es bereits gelungen, die Niere eines toten Kaninchens wiederzubeleben. «Ich hoffe nicht blauäugig auf die Wissenschaft, son­dern arbeite daran unter stetiger Kontrolle der Machbarkeit.»

Den Tod überlisten

Doch selbst wenn es einst möglich sein wird, Zellen wiederzubeleben und zu verjüngen: Warum sollten sich die Menschen dereinst für vitrifizierte «Patienten», wie Kryoniker sie nennen, aus dem 20. und 21. Jahrhundert interessieren? Klaus Sames weist die Frage zurück: «Ich befasse mich mit der aktuellen Methode und der aktuellen Forschung, nicht mit den Fragen späterer Generationen.» Für ihn ist klar, dass auch in Zukunft ethisch handelnde Berufskollegen am Werk sein werden. «Es wäre Mord, uns nicht aufzutauen. Meine zukünftigen Kollegen werden sich dieser Verantwortung bewusst sein.»

Klaus Sames will also den Tod überlisten und abwarten, bis ein zweites Leben auf dieser Erde Realität wird. «Für mich gibt es den Tod nicht. Es gibt lediglich den Verlust des Lebens, und das ist kein eindeutiger Moment, sondern ein Prozess. Einer, der vielleicht irgendwann mal rückgängig gemacht werden kann.» Der Wissenschaftler sieht da­rin nichts Metaphysisches. «Ich mache mich ja nur bereit, ewig zu leben, und ich glaube, Gott wird mich für dieses Experiment nicht bestrafen.»

Klaus Sames, 80

Der deutsche Arzt und Gerontologe (Altersspezialist) forscht seit vierzig Jahren zum Thema Lebensverlängerung und gilt als Spezialist für Kryonik. Die Gefriertechnik hat zum Ziel, Organismen, Organe und ganze Menschen so lange zu konservieren, bis sie sich wiederbeleben lassen.