Schwerpunkt 07. Januar 2020, von Sandra Hohendahl-Tesch

«Der Körper ist vergleichbar mit einem Auto»

Ewig leben?

Die Altersforscherin Heike Bischoff-Ferrari setzt auf Vitamin D. Dieser Stoff helfe mit, ein längeres und gesünderes Leben zu führen.

Heike Bischoff-Ferrari sitzt im weis­sen Kittel vor ihrem Laptop. Zeit hat sie wenig, die Agenda ist vor Weihnachten übervoll. Ob sie gerne ewig leben würde? Die Leiterin der Klinik für Altersmedizin am Uni­­versitätsspital Zürich lacht herz­haft, schüttelt den Kopf. «Abwegig» findet sie den Gedanken. Unser Körper sei nicht für die Ewigkeit gemacht. Irgendwann versage die Biologie. Der Körper sei wie ein Auto. «Auch bei sanfter Fahrweise und gu­ter Pflege zeigen sich irgendwann Verschleisserscheinungen.»

Gesundheitskosten sparen

Die moderne Altersforschung will die «gesunde Lebens­erwartung» ver­längern. In der Schweiz liegt diese bei 74 Jahren – das ist mit Schweden am obersten Ende der Skala. In den USA sind es 69 Jahre. «Könnte man die Anzahl Jahre, die eine Per­son voraussichtlich bei guter Ge­sundheit leben wird, um sieben Jahre verlängern, liessen sich so die Kosten der altersbezogenen Krankheiten wie Demenz oder Diabetes um gut die Hälfte reduzieren», erklärt Bischoff-Ferrari. Das Ziel auch aus Sicht der Gesundheitsökonomie müsse sein, möglichst alle chronischen Erkrankungen ans Lebensende zu verschieben.

Eigentlich wollte die gebürtige Baden-Württembergerin Hausärztin werden. Doch ihr Weg führte sie als Fellow an die Eliteschmiede Harvard. Dort erhielt sie für ihre Forschungsarbeiten auf dem Gebiet von Vitamin D ein Stipendium, um in Boston an der Harvard Medical School zu forschen. 2005 kam sie als junge Assistenzärztin nach Zürich, legte eine steile Karriere bis zur Uni-Professorin für Altersforschung hin. Warum bleiben die einen lange gesund, andere hingegen zeigen früh Zeichen der Gebrechlichkeit? Um dies herauszufinden, «aber auch, weil mich ältere Menschen mit ihren beeindruckenden Lebensgeschichten faszinieren», sei sie Altersmedizinerin geworden, be­richtet Heike Bischoff-Ferrari.

Mediterran leben

Die knapp 50-Jährige mit jugendlichem Aussehen ist überzeugt: Wir sind den Genen nicht ausgeliefert. In klinischen Studien konnte sie mit ihrem Team nachweisen, dass das für den Knochenaufbau wichtige Vitam D, regelmässig eingenommen, etwa jeden dritten Sturz und jeden dritten Hüftbruch vermeiden kann. Ein solcher geht oft mit dem Verlust der Autonomie einher und endet für viele gar tödlich. Präventiv wirkten darüber hinaus Omega-3-Fette, einfache Trainingsprogramme und Molke-Eiweiss.

Bischoff-Ferrari empfiehlt mediterrane Diät. Olivenöl als primäre Fettquelle, wenig rotes Fleisch, viel Hülsenfrüchte. Dazu brauche es Bewegung (mindestens 6000 Schritte am Tag) und eine posi­tive Einstel­lung. Zu dieser gehöre auch die Spiritualität. «Der Glaube an etwas Grösseres verleiht dem Alter einen Sinn und fördert die Resilienz, die Fähigkeit, mit Schicksalsschlägen umgehen zu können.»

Dem Alter sieht sie gelassen entgegen. «Endlich Zeit, die Welt an­zu­schauen, Bücher zu lesen, Menschen zu treffen.» Als Mutter eines Teenagers rechnet sie sich gute Chan­cen aus, einmal Grossmutter zu wer­­den. Familie sei das grösste Geschenk.

Heike Bischoff-Ferrari, 49

Sie leitet das Forschungszentrum Alter und Mobilität am Unispital Zürich und Stadtspital Waid. 2013 wurde sie zur ersten Lehrstuhlinhaberin Ge­riatrie und Altersforschung der Universität Zürich ernannt. Bischoff-Ferrari verantwortet zudem die europaweit grösste Altersstudie Do-Health.