Schwerpunkt 07. Januar 2020, von Nicola Mohler

«Sterben finde ich nicht erstrebenswert»

Ewig leben?

Mike Schaffner hofft, eines Tages seinen Verstand zu digitalisieren. So könnte er in verschiedenen Körpern weiterleben.

«Egal wie alt ich bin, ich möchte nicht sterben», sagt Mike Schaffner. «Sterben ist Verschwendung. Denn es gibt immer mehr zu erleben, mehr zu erfahren oder sich mehr Wissen anzueignen.» Deshalb strebt der 29-jährige Basler, der nicht an ein Leben nach dem Tod glaubt, das ewige Leben an.

Schaffner will seine Unsterblichkeit durch Mind-Uploading erreichen. Das heisst, er träumt davon, seinen Verstand zu digitalisieren. Dazu würden all seine Eigenschaften, seine Gedanken und sein Wissen auf einer Festplatte gespeichert und wären wie eine Musikdatei jederzeit uploadbar. So könnte sein Ver­stand weiterleben, sich frei durch Zeit und Raum bewegen und sich verschiedene Körper aussuchen, etwa einen Roboter oder eine Rolle in einem Videogame.

Wahrnehmung erweitern

Zwar ist dieses Szenario heute noch Utopie. Schaffner ist jedoch überzeugt, dass die Technologie eines Ta­ges Realität werde. «Ich möchte andere, neue Welten erleben, wie etwa die eines Segelschifffahrers aus früheren Zeiten im Weltraum.» Der Transhumanist beschäftigt sich gerne und oft mit philosophischen Fragen. Für ihn ist klar: Die Verschmelzung von Mensch und Technik ist eine Notwendigkeit.

Die Faszination für die Technik begann im Knabenalter. «Ich bin ein Comic-Nerd. Super-Humans fas­zinieren mich schon seit Langem. Mir wurde bewusst, alleine mithilfe der Technologie erreichen wir über­natürliche Fähigkeiten.»

Mike Schaf­fner er­weiterte seine Sinneswahrnemung, indem er sich Magnete in zwei Fingerspitzen einsetzen liess. Durch diese spürt er an Orten mit starken Mangetfeldern Vibrationen. Er betont, dass es sich um ­eine Spielerei handle. Zudem trägt er in seiner Hand einen Chip, mit dem er etwa die Haustür öffnet. Er hofft, schon bald mit dem Chip auch an der Einkaufskasse bezahlen zu können.

Risiken der Entwicklung

Die technischen Fortschritte seien rasant. Die Technologien, die den Tod überwinden, somit unausweich­lich. «In meinen Augen werden wir in naher Zukunft unsere Lebenserwartung auf 200 Jahre anheben.» Technologien wie dreidimensional gedruckte Organe oder direkte Eingriffe in die Gensequenzen könnten die biologische Sterblichkeit beenden. Das Mind-Uploading wäre dann der nächste Schritt – für den es jedoch weitere technische Entwicklungen braucht.

Schaffner ist klar, dass der technologische Fortschritt auch Missbrauchsrisiken birgt. Deshalb fordert er politisch Engagierte: «Wir müssen die Gesellschaft so weit bringen, die Technik positiv für alle Menschen zu nutzen.» Er ruft aber auch in Erinnerung, dass der Ressourcenverschleiss ein ewiges Leben verhindern könnte. «Wenn wir die Natur weiter ausbeuten, Kriege führen und die Umwelt zerstören, wird es kein ewiges Leben geben.»

Schaffner plädiert dafür, den Lebens­stil zu ändern, und geht mit gutem Vorbild voran: Er ernährt sich vegan und trägt Sorge zur Umwelt. Zudem achtet er auf seinen Körper, treibt regelmässig Sport. «Ich möchte nie sterben, sondern möglichst ewig leben. Denn Sterben finde ich keine erstrebenswerte Option.»

Mike Schaffner, 29

Der gelernte Netzelektriker leitet einen ICT-Campus und ist nebenbei Bar­keeper. Sein Wissen erweitert er, indem er an der Universität Vorlesungen zu Medizin, Biologie, Physik, Philosophie und Psychologie besucht. Er lebt im Kanton Solothurn und kandidierte im Herbst als Nationalrat.