«Als ich hierherkam, hab ich mich sogleich in diese Kirche verliebt.» Ute Lanckau steht in «ihrer» Kirche in Untervaz und erinnert sich an den Zeitpunkt vor dreizehn Jahren, da sie als frisch gewählte Pfarrerin in der bündnerischen Gemeinde ihren Dienst in der Schweiz antrat.
Reformierte Kirchen mit ihren betont schlicht gehaltenen Innenräumen gefallen der Deutschen. Das, sagt sie, passe zum reformierten Glauben mit seiner Konzentration aufs Wort, von der äussere Reize nicht zu sehr ablenken sollen. Obwohl – zu schlicht darf es ihrer Ansicht nach dann doch nicht sein. «Auch reformierte Kirchen sollen die Sinne ansprechen. Ich finds schön, wenn die Sonne hereinscheint und Farben die Kirche durchfluten. Und es sollte gut riechen, nicht muffig. Auch wir Reformierten sind Sinnesmenschen.»
Das bunte Paradies. Die um das Jahr 1700 erbaute reformierte Kirche von Untervaz kommt mit ihrem bunten Schöpfungsfenster und seiner Darstellung von Adam und Eva mit Tieren dem Geschmack der Pfarrerin entgegen. «Dieses Schöpfungsfenster war aber schon da, als ich kam», lacht sie.
Mit dem Fenster wie auch mit dem Kreuz vorn an der Wand ist in der Kirche von Untervaz eine Annäherung an die Gestaltung von Räumen in lutherischen Kirchen zu beobachten. Diese sind in der Regel mit bildlichen Darstellungen aus der Bibel als Anregung für den persönlichen Glauben ausgeschmückt.
Klar reformiert ist dafür der Taufstein vorn in der Mitte der Kirche. An dieser Stelle steht in lutherischen Kirchen der vorreformatorische, meist steinerne Altar als zentrales Element, wo das Abendmahl gefeiert wird. Der Taufstein befindet sich links oder rechts an der Seite. In den Kirchen beider Konfessionen ist die Kanzel, von der die Predigt gesprochen wird, ein wichtiges Element des Gottesdienstes. Sie ist oft im vorderen Drittel oder in der Mitte des Hauptschiffs angebracht.
Liturgische Unterschiede.Ute Lanckau betont, dass sie «aus Leidenschaft» evangelisch-reformiert sei. «Das hängt mit meiner Geschichte zusammen.» Geboren in der DDR, wuchs sie in einem konfessionsübergreifenden Elternhaus auf; der Vater war katholisch, die Mutter lutherisch.
Ute Lanckau engagierte sich 1989 in Leipzig bei den friedlichen Demonstrationen gegen das Regime. Ihre Erfahrungen in der DDR brachten sie auf Distanz zur hierarchischen Lutherkirche mit ihren Bischöfen. Als Vikarin in Leipzig erlebte sie sich stets als Bittstellerin gegenüber kirchlichen Autoritäten.
Anders in der Schweiz. «Die demokratische Struktur der reformierten Kirche in der Schweiz, das Mitspracherecht der Laien in Kirchgemeindeversammlungen und die grosse Autonomie der Kirchgemeinden, das überzeugt mich hier. Bei Jesus gab es keine Hierarchie, bei ihm hat jeder Mensch eine Würde. Das sehe ich in der reformierten Kirche verwirklicht», sagt Lanckau.
Vorbehalte hegt sie auch gegenüber der lutherischen Betreuungskirche, wo die Pfarrpersonen in der Regel den Kirchenvorstand leiten und die volle Verantwortung tragen – auch in Bereichen, die nicht zu ihren Kernkompetenzen zählen. Etwa, wenn sie als Nichtfachleute über Liegenschaftsgeschäfte entscheiden müssen, was viele überfordert.
Anderes Abendmahlverständnis. Auch in der Liturgie unterscheiden sich die beiden Konfessionen. Die lutherische Kirche ist hinsichtlich der Gestaltung von Gottesdiensten näher bei der katholischen Praxis als die reformierte Kirche. So kennen die Lutheraner etwa auch Wechselgesänge. In einem überholten, alten Deutsch, das oft nur Insider verstehen, wie Lanckau erklärt.
Zu jedem Gottesdienst gehört ein ausführliches Glaubensbekenntnis. Und der Abendmahlsstreit zwischen Luther und Zwingli wirkt bis heute nach, in einem unterschiedlichen Abendmahlsverständnis. Für Lutheraner ist Christus in Brot und Wein gegenwärtig, für Reformierte ist die Verbindung mit Christus rein geistiger Natur. Auch die Häufigkeit des Abendmahls ist eine andere. In der reformierten Kirche wird dieses in der Regel an hohen Festtagen eingenommen, bei den Lutheranern mindestens einmal im Monat.
Nähe zu den Leuten. Der Besuch der Kirche in Untervaz geht zu Ende. Ute Lanckau hat noch einen Termin bei einem Mitglied ihrer Gemeinde. Den nimmt sie gern wahr. «Das liebe ich an meinem Beruf als reformierte Pfarrerin: den unmittelbaren Kontakt zu den Menschen im Dorf. Da haben sich über Jahre vertrauensvolle Beziehungen aufgebaut», sagt sie, bevor sie aufs Velo steigt und in die Pedalen tritt.
