Wie viel Luther darfs denn sein?

Marketing

Luther und Zwingli als Zugpferde der Reformation: Doch mit Köpfen von anno dazumal lässt das Reformationsjahr schlecht vermarkten. Deutschland macht es doch.

Die Reformation hat in Deutschland ein Gesicht: ein Mann mit ernstem Blick, Pottschnitt und schwarzem Barett. Ein Porträt Luthers ist das Logo, mit dem alle Akteure des Reformationsjubiläums von 2007 bis 2018 werben dürfen. Das macht Luther auf Werbemitteln dominant.

Extra fürs Jubiläum wurde gar ein Playmobil-Luther in einer Auflage von über 100 000 produziert. Dieser hält nicht nur auf den Bürotischen von kirchlichen Mitarbeitenden die Bibel in die Luft, sondern erzählt auch in Werbefilmchen die Ereignisse im Jahr 1517. Daneben gibt es Lutherbier und Luthersocken, Bonbons und Schablonen, Frisbees und Frühstücksbrettchen zu kaufen. Auch touristisch wird mit Luther geworben, er wirkte in vielen deutschen Städten.

Sensibles Thema. «Die starke Präsenz Luthers im Werbeauftritt ist in den deutschen Landeskirchen ein empfindliches Thema», sagt Christof Vetter, Marketingleiter des Vereins Reformationsjubiläum. Dieser ist von der Evangelischen Kirche Deutschland und dem Deutschen Evangelischen Kirchentag gegründet worden, um kirchliche Events gemeinsam zu organisieren.

In erster Linie, hält Vetter fest, wolle man ein Ereignis ins Rampenlicht rücken, das sich bis heute auswirke. «Wir möchten aufzeigen, dass Reformation bedeutet, die Welt zu hinterfragen.» Mit einem Konterfei von anno dazumal ist der Zeitgeist heute allerdings schwierig zu vermitteln. Gemäss Vetter gibt es zwischen den Kirchen deswegen immer wieder Diskussionen.

Ein schlichtes grünes «R». Das Zugpferd der «Marke Luther» ist die Tourismusbranche. «Bei der Vorbereitung des Reformationsjubiläums waren die Verantwortlichen für das Tourismusmarketing der Meinung, dass die Werbung gut mit einem markanten Kopf funktionieren wird», sagt Vetter und räumt ein: «Luthers Thesenanschlag gilt nun mal als Schlüsselereignis der Reformation, auch wenn diese bereits früher ins Rollen kam und von verschiedenen Leuten getragen wurde.»

In der Schweiz wurde auf eine personifizierte Reformation verzichtet. Das Logo ist ein schlichtes grünes «R». Taugt Zwingli nicht als Marke? «Er war für die Reformation nur im Raum Zürich von Bedeutung», sagt Bettina Beer, die Projektverantwortliche des Schweizer Reformationsjubiläums. In der Romandie sei Calvin die zentrale Figur. Zudem stehe auch hierzulande die Bedeutung der Reformation für die Gegenwart im Fokus.

Der starke Zwingli. «Den Schweizern geht der Personenkult ab», sagt Filmemacher Stefan Haupt, der Zwingli Ende 2018 auf die Kinoleinwände bringen will. Doch Zwingli eigne sich bestens für eine starke Figur, er habe viel zur Sozial- und Bildungspolitik sowie zu demokratischen Strukturen beigetragen.

«Man dürfte ihn ruhig stärker hervorheben. Jetzt sieht es ein wenig so aus, als schliesse sich die Schweiz einfach der deutschen Jubiläumsfeier an. Doch die Reformation verlief hier anders.» Mehr Selbstbewusstsein würde dem Jubiläum hierzulande gut anstehen.

Menschen im Fokus. Auch aus der Sicht des Kommunikationsfachmanns ist es sinnvoll, dass «diese echt weltbewegenden Veränderungen» an Personen festgemacht werden. Jost Wirz, Ehrenpräsident der Schweizer Werbegruppe Wirz, der «reformiert.» vor dessen Lancierung beim Branding beriet, sagt: «Revolutionen werden von Menschen ausgeführt. Seien wir froh, dass Luther, Zwingli und Calvin im Rampenlicht stehen.»

Luther gelte als Initiator der Reformation, er sei jedoch quasi auf halbem Weg stehen geblieben. «Das zeigt sich zum Beispiel an der Struktur der lutherischen Kirche: Bischöfe sind bei uns antiautoritären Vollblut-Direktdemokraten undenkbar.» Sowieso sei es wichtig, die Reformation in aller Breite zu thematisieren. «Wir sehen jeden Tag, was geschieht, wenn sich eine Religion nicht der Zeit anpasst. Der Katholizismus, wie ihn sich ‹Rom› vorstellt, und auch der konservative Islam passen nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Vorschriften schaffen Spannungen bei ihren Anhängern.»