Wie lässt sich die kranke Seele heilen?

Seele

Die Psychologin: Seelisches beeinflusst das Körperliche.

«Der Begriff ‹Seele› ist recht unscharf. Die Seele lässt sich nicht messen oder quantifizieren. Im Griechischen und im Latein bedeutet Seele ‹Hauch› oder ‹Atem› und wird nicht klar unterschieden vom Geist. In der Jungschen Psychologie arbeite ich stark mit dem seelischen Faktor: Dieser ist nicht direkt sichtbar, aber er ist da. Ich habe ein Auge dafür, wie gut jemand mit seiner Seele verbunden ist. Stirbt ein Mensch, ist der Körper nicht mehr lebendig: Er ist leer und tot, erstarrt, sobald die Seele ihn verlassen hat. Nach C.G. Jung ist die Seele ein lebensverursachendes Prinzip, das den Menschen lebendig macht. Die Seele ist nichts Materielles. Aber sie hat einen starken Einfluss auf die Materie und die körperliche Befindlichkeit des Menschen und darauf, wie lebendig sich ein Mensch fühlt.

Der Seele Raum geben. Als Jungsche Psychologin arbeite ich mit dem Unbewussten. Das Seelische ist ein Teilbereich des Psychischen, der Gesamtheit von bewussten und unbewussten Vorgängen. Es steht komplementär zur bewussten Persönlichkeit des Menschen. Lebt ein Mensch einseitig rational, verliert er sowohl den Bezug zu seinem Unbewussten und damit zu seinen lebendigen Emotionen als auch seine emotionale Beziehungsfähigkeit zu anderen Menschen. Daraus resultieren Probleme in beruflichen und privaten Beziehungen, was bis zur depressiven Verstimmung gehen kann. Führen Vereinsamung und Depression einen Menschen in die Psychotherapie, versuchen wir seine Emotionen, die im Unbewussten wurzeln, ans Licht zu bringen und so mit der bewussten Einstellung (wieder) zu verbinden. Dies geschieht durch Traumarbeit und aktive Imagination, Malen oder Sandspiel. So bekommt die Seele Raum, und damit beginnt der Heilungsprozess.

Viele Pfarrpersonen rutschen in eine schwere Berufskrise, weil sie sich zu stark mit ihrer Rolle identifizieren, innerlich ausbrennen, den Bezug zu sich und zur Gemeinde verlieren. Der Ansatz zur Heilung liegt in der Verbindung von Unbewusstem und Bewusstem und beginnt mit dem Aufschreiben der Träume.»

Marianne Meister, 64

Die Psychologin und Psychotherapeutin arbeitet mit Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen in ihrer eigenen Praxis in Zürich. Sie ist Vizepräsidentin des Curatoriums des C.G. Jung-
Instituts in Küsnacht, wo sie als Dozentin, Lehranalytikerin und Supervisorin tätig ist. Sie hat das Buch «Schlüssel zum Ich» geschrieben.