Was ist aus Ihrer Sicht zentral für Menschen mit Behinderung?
Markus Schefer: Dass sie umfassend und gleichberechtigt ein Teil der Gesellschaft sein können. Das deckt sich mit den Forderungen der UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Was bedeutet diese umfassende Teilhabe konkret?
Dass Menschen mit Behinderung so teilhaben können wie alle anderen auch. Niemand soll von gewissen Gebieten und Aktivitäten ausgeschlossen sein. Und Menschen mit Behinderungen sollen sich nicht besonders rechtfertigen müssen. Letztlich bedeutet dies, dass die Gesellschaft die Behinderung nicht mehr pathologisiert und ausschliesst, sondern als Aspekt der menschlichen Vielfalt wahrnimmt und sich entsprechend darauf ausrichtet.
Wie soll das in der Praxis gehen?
Rollstuhlfahrende werden behindert, weil sie beim Bau des Umfeldes nicht mitgedacht waren. Wie wir die Gesellschaft und das Umfeld gestalten, ist an einer bestimmten Vorstellung ausgerichtet. Das Gleiche bei Menschen mit psychosozialen oder intellektuellen Behinderungen. Es geht darum, wie wir sie als Gesellschaft mit einschliessen, wie wir uns in der Arbeitswelt einrichten. Wir müssen die Vorstellung, wer dazugehört, erweitern und uns entsprechend anpassen. Solche gesellschaftlichen Anpassungen hat man oft gemacht, unter anderem mit Bezug auf die Frauen.
Aber bei der Arbeit etwa muss doch die Leistung noch stimmen.
Es ist nicht so, dass jemand nur wegen einer Behinderung weniger Leistung erbringt. In der Literatur wird das als «Ableism» bezeichnet: die Vorstellung, Menschen mit Behinderungen seien weniger leistungsfähig. Sie können gewisse Arbeiten nicht machen, dafür jedoch andere, so wie Menschen ohne Behinderung. Schliesslich gilt für alle: Wo sind die individuellen Stärken?