Im Psalm 36 preist der israelitische König David die Herrlichkeit Gottes. Im Vers 10 steht: «Denn bei dir ist die Quelle des Lebens.» Die Bildhaftigkeit der Beschreibung spricht mich an. Ich sehe vor mir eine Quelle in den Bergen, aus der frisches, kühles Wasser zwischen moosbewachsenen Steinen hervorsprudelt. Das Wasser wird im Text nicht genannt, ist aber für das Bild entscheidend. Denn Quellwasser ist etwas Erquickendes, wie ein magisches Elixier. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass es mit der göttlichen Kraft in Verbindung steht. Kein Wunder, dass Quellen in vielen Mythen Sitz von Göttinnen oder Geistwesen sind.
Manchmal trifft man auch Menschen, die etwas von der Energie einer Quelle ausstrahlen. Sie sind frisch, heiter, unverbraucht und scheinen auf geheimnisvolle Weise an ein Reservoir von Kraft angeschlossen. Ich bin schon einigen begegnet, auf die das zutrifft. Eine alte Yogalehrerin, einen Ordensbruder, einen Unbekannten im Spital und andere. Ich fühlte mich nach den Begegnungen mit ihnen erquickt – wie an einer Wasserquelle. Wie kann das sein? Ich stelle mir vor, dass sie einen Weg gefunden haben, sich immer wieder an der Quelle des Lebens zu erfrischen, die sie in ihrem Innern tragen.
Gott ist aber nicht nur in denen präsent, die heiter und frisch wirken. Sondern laut der jesuanischen Botschaft auch in den «Schwachen», die gerade nicht souverän und anziehend sind. Trotzdem ist es schön, dass es die «Quellenmenschen» gibt, die sich vom Lärm der Welt nicht ganz einfangen lassen. Sie erinnern mich daran, dass die Quelle des Lebens in jeder und jedem steckt, nicht nur in Königen.