Manchmal drängen Kirchenlieder in mir hoch, die sich aus Jungschar- und Konfizeiten gut in meinem Hirn konserviert haben.
Laut schmettere ich beispielsweise beim Autofahren «Eine feste Burg ist unser Gott». Martin Luthers «Marseillaise der Reformation», die er nach Psalm 46 gedichtet hat, singt sich so schön. Aber immer stolpere ich über die martialischen Kriegsmetaphern: «Gross Macht und viel List/ sein grausam Rüstung ist.» Und es passt zum schmetternden Lied, dass es immer wieder auf Schlachtfeldern intoniert wurde. Mit Luthers Hymne zogen die Heere des schwedischen Königs Gustav Adolf während des Dreissigjährigen Krieges brandschatzend durch Deutschland. Auch im vom protestantischen Kaiser Wilhelm II. verschuldeten Ersten Weltkrieg wurde von den deutschen Soldaten das Burg-Lied gesungen.
Nun kenne ich die beruhigendpazifistische Deutung. Der Reformator wollte damit verkünden: Lieber auf Gott vertrauen statt auf menschliche Waffenarsenale und Wallanlagen. Dafür spricht auch der weitere Text im Psalm 46: «Der den Kriegen Einhalt gebietet bis ans Ende der Erde, der Bogen zerbricht, Speere zerschlägt und Wagen im Feuer verbrennt.» Weitersingen ist also
erlaubt. Denn im Zentrum des Psalms steht die Zuversicht, selbst dann, «wenn die Erde schwankt und die Berge wanken.» Das Gottvertrauen steht in der Mitte des Psalms, und das lässt alle, die im Dunkeln stehen, doch noch einen Lichtschimmer erkennen. Luther aber bezieht die Burg auf Jesus Christus. Dass die Psalter von ihm und vielen nachfolgenden Theologen christlich getauft wurden, bringt leider etwas Trennendes in die jüdisch-christliche Psalmentradition.