Die Vorstellung von Gott als Adler geht viel weiter zurück als die Bibel. In der griechischen Mythologie gilt der Adler als göttlicher und himmlischer Vogel. Er war dem Göttervater Zeus heilig und ist in der Kunst dessen Attribut. Hephaistos soll den riesigen Vogel geschaffen und Zeus ihn beseelt haben. Einmal verwandelt sich Zeus selber in einen Adler, um den schönen Königssohn Ganymed zu rauben. Er entführt ihn auf den Olymp, wo er ihm fortan als Mundschenk dient. Ebenfalls berühmt ist die Sage um den Titanen Prometheus, der es wagt, Zeus zu hintergehen: Der Göttervater lässt ihn zur Strafe fesseln und ein Adler frisst täglich von seiner Leber, die sich stets erneuert.
Eine wahrlich grausame Vorstellung vom Adler als gefährliches Raubtier. In der Bibel ist der Adler der meist erwähnte Vogel – und das durchwegs positiv. In 2. Mose 19,4 spricht der Herr: «Ihr habt selbst gesehen, was ich Ägypten getan und wie ich euch auf Adlersflügeln getragen und hierher zu mir gebracht habe.» Auf Adlersflügeln getragen – ein starkes und einprägsames Bild voller
Zuflucht und Geborgenheit. Der Adler ist mit einer Flügelspannweite von über zwei Metern nicht nur ein sehr grosser Vogel; er hat auch die schärfsten Augen.
In der christlichen Mythologie ist er somit ein Sinnbild der Allmacht und Allwissenheit, überhaupt des göttlichen Geistes. Spannend ist aber, dass in der Bibel nicht nur Gott, sondern auch die Gläubigen mit einem Adler verglichen werden. Im Psalm 103‚5 steht: «Die aber, die auf den Herrn hoffen, empfangen neue Kraft, wie Adlern wachsen ihnen Schwingen, sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und ermatten nicht.» Hier ist der Adler Symbol der Verjüngung und Wiedergeburt.